Das Hexenkreuz
geboren,
Herrin. Meine Mutter kam als junges Mädchen hierher. Sie hat bald darauf einen
der Kutscher geheiratet und sich bis zur Köchin hochgearbeitet. Als ich alt
genug wurde, bin ich ebenso in die Dienste des Grafen getreten. Er ist wirklich
ein guter Herr, glaubt mir“, flüsterte sie mit gesenktem Kopf. Zarte Röte
überflutete ihre Stirn.
„Was willst
du mir damit sagen?“, hakte Emilia leise nach.
„Nun, ich
meine…, weil…“, druckste sie herum und rutschte unbehaglich auf der Kante
umher.
„Weil du weißt,
dass ich hier gegen meinen Willen festgehalten werde?“, half ihr Emilia sanft
auf die Sprünge.
Der Kopf des
Mädchens ruckte hoch. Sie starrte Emilia aus großen verschreckten Augen an.
Offensichtlich fand sie, dass sie bereits zu viel gesagt hatte.
„Clara!“,
tönte eine strenge Stimme zu ihnen hinüber. „Was tut Ihr da? Erhebt Euch. Sofort!“
Conradin, das Tablett von Emilias Abendessen in den Händen, stand im Türrahmen.
Seine Miene verhieß nichts Gutes. Clara war sofort aufgesprungen, doch Emilia
hielt sie zurück. „Hab keine Angst. Ich werde ihm erklären, dass du lediglich meiner
Aufforderung gefolgt bist.“ Emilia erhob sich ebenfalls und ging mit Clara, die
sich mit gesenktem Kopf in ihrem Rücken hielt, langsam auf Conradin zu. „Warum
gleich so streng, Meister Conradin?“, fragte Emilia mit klarer Stimme. „Ich selbst
habe Clara dazu aufgefordert, neben mir Platz zu nehmen. Ist es mir nicht
gestattet, in Ruhe einige Worte mit meiner Zofe zu wechseln?“
„Euer
Eintreten für dieses dumme Ding in allen Ehren, verehrte Herzogin. Doch sie
sollte ihre Pflichten kennen“, sagte er, während Clara unter seiner strengen
Miene weiter einschrumpfte.
„Trotzdem
bitte ich Euch, sie nicht dafür büßen zu lassen, weil sie meinem ausdrücklichen
Wunsch entsprochen hat.“
Conradin neigte
den Kopf. „Selbstverständlich, Herzogin.“
Mit einer
Kopfbewegung scheuchte er Clara hinaus. „Wünscht Ihr auf Eurer Terrasse zu
frühstücken?“
„Gerne.
Dieser Morgen muss einfach draußen genossen werden.“ Emilia wandte sich ab,
damit der Majordomus das zufriedene Lächeln nicht sah, das ihre Lippen
umspielte. Sie hatte eben zwei wichtige Dinge herausgefunden: Erstens schien
Clara eine anständige Seele zu sein und zweitens hatte ihr die Kleine eine
weitere Information geliefert: Clara war auf diesem Anwesen aufgewachsen; sie
musste sich also zwangsläufig hier aufs Beste auskennen. Konnte sie das schwache
Glied in der Kette sein, das ihr zur Flucht verhelfen würde? Ihr Entschluss,
sich Claras Hilfe zu bedienen, stand fest. Ihr Hochgefühl hielt nur so lange
an, wie kurz darauf eine ältere Matrone an die Tür klopfte. Sie trat mit festem
Schritt ein und stellte sich ihr als ihre neue Kammerzofe vor. „Aber ich bin
mit Clara bisher sehr zufrieden gewesen“, entgegnete Emilia entschieden.
„Nichts für ungut, aber wenn Ihr mir sie bitte rufen wollt? Ich möchte mich
jetzt gerne ankleiden und frisieren.“
„Leider,
Herrin, aber der jungen Clara wurden andere Aufgaben zugeteilt. Durchlaucht
wird auch mit mir zufrieden sein“, erklärte sie schmallippig. Sie griff nach
der Bürste aus Elfenbein und begann energisch Emilias Haar zu bearbeiten.
Emilia
verschluckte sich beinahe an ihrem Zorn. Ihre zitternden Hände spielten mit
einer Diamanten besetzten Agraffe in Form eines Schwanes, bis sie sie
schließlich zerbrach. Wütend schleuderte sie die filigranen Teile auf den
Frisiertisch. Ihre neue Zofe tat so, als hätte sie nichts bemerkt, vermied es
jedoch, ihrem Blick im Spiegel zu begegnen.
Conradin
hatte also kurzen Prozess mit Clara gemacht. Hinter seiner vornehmen Fassade
verbarg sich ein scharfer Geist und er war seinem Herrn treu ergeben. Sie würde
künftig mit ihm rechnen müssen. Sie begriff, dass sie einen Fehler begangen
hatte, indem sie sich offen mit Clara vor aller Augen präsentiert hatte,
anstatt das Gespräch mit ihr in einem intimeren Rahmen zu suchen. Was hatte sie
sich nur dabei gedacht? Wieder einmal hatte sie spontan gehandelt, dabei zog
jeder ihrer Schritte Konsequenzen nach sich. Das sollte sie inzwischen gelernt
haben.
Sie ließ
sich von ihrer neuen Zofe, die sich überwiegend durch eine verkniffene Miene
auszeichnete, zu Ende frisieren und ankleiden. Dann entließ sie sie und kehrte
auf ihre kleine Terrasse zurück. Ein kaum spürbarer Wind trug ihr den Duft spät
blühender Rosen zu und für einen Augenblick ergab sie sich ganz dem stillen
Weitere Kostenlose Bücher