Das Hexenkreuz
standen
hervorrragend bei seiner Geburt. Hatte er nicht alles? Einen guten Namen und
die Aussicht auf ein Vermögen? Was davon ist ihm geblieben? Nichts! Er selbst
war nicht besonders glücklich in seinen Unternehmungen. Den Rest hat dann sein
Taugenichts von Erstgeborenem durchgebracht. Am Ende blieb Eurem Vater nichts
übrig, als das einzige von Wert zu verkaufen, das ihm noch verblieben war:
Euch, Emilia, seinen Augapfel. Tragisch, wirklich tragisch sein Schicksal…“
Emilia biss
sich auf die Zunge. Ihr war klar, dass Bramante sie mit seinen Sticheleien
bewusst herausfordern und ihr unbedachte Worte entlocken wollte. Sie wurde aus
diesem Mann nicht schlau. „Es wäre weit weniger tragisch für meinen Vater, wenn
ich nicht plötzlich aus dem Schloss meines Gatten in Sulmona verschwunden
wäre“, erwiderte Emilia, so ruhig sie konnte. „Sagt mir endlich, was Ihr
wirklich wollt, denn Eure Spielchen ermüden mich.“
„Aber gerne…
Wenn Ihr mir verratet, was Floriano von Euch wollte?“, gab der Graf ebenso
friedlich zurück.
„Ach, Floriano
hieß der junge Mann also?“, entgegnete Emilia leichthin. „Leider hat er es
versäumt, sich mir vorzustellen. Falls er Eurem Haushalt angehört, muss ich
Euch sagen, dass der junge Mann über keine Manieren verfügt. Erst gestern hat
er mich fast umgerannt. Heute hat er mich aufgesucht, um mir seine Verachtung
zu gestehen. Dabei kenne ich ihn überhaupt nicht! Wirklich, Ihr beherbergt
seltsame Gäste, Graf.“
„Ja, der
gute Floriano lebt seine Gefühle aus“, meinte Bramante und lächelte mit
geschlossenem Mund. Er hielt den Kopf einer abgeknickten Rose und zerpflückte
die zarten Blütenblätter zwischen seinen Fingern. Emilia starrte gebannt
darauf. Die tiefroten Blätter nahmen sich wie Blutstropfen zwischen seinen
Fingern aus.
„Ich werde
mich darum kümmern“, versicherte der Graf nun. „Mein junger Freund wird Euch
künftig nicht mehr belästigen. Wir sehen uns später, ich lade Euch zu einem
Picknick im Park ein. Dieser herrliche Tag ist wie dafür gemacht.“ Er erhob
sich, um zu gehen, doch Emilia hielt ihn zurück: „Wartet! Ihr habt meine Frage
nicht beantwortet!“
„Später,
meine Liebe, später.“ Er eilte mit raschen Schritten davon und ließ Emilia
erneut in Unfrieden zurück. Kurz vor Mittag erschien Conradin bei ihr und
verkündete mit gemessener Miene, dass der Graf unerwartet in dringlichen
Angelegenheiten habe verreisen müssen und frühestens in einigen Wochen
zurückerwartet würde.
Daraufhin
fand Emilia, dass sie ihr Temperament lange genug gebändigt hatte. Erneut
warten und untätig herumsitzen? Diverse Vasen, Schalen und Flakons hatten das
Nachsehen. Conradin zuckte nicht mit der Wimper, obwohl die erste Vase geradeso
seinen Kopf verfehlte. Ohne Hast zog er sich zurück und ließ sie mit ihrem Zorn
allein. Irgendwann läuft sich jede Wut tot. Emilia verließ ihr Zimmer und versuchte
erneut Frieden bei dem kleinen Teich zu finden. Später erschien ihre Zofe
zusammen mit zwei weiteren Helferinnen. Stumm machten sie sich daran, die
Bescherung zu beseitigen.
Die Tage und
Wochen vergingen in Untätigkeit. Auch Floriano ließ sich nicht mehr blicken.
Immerhin konnte sie sich frei im Park bewegen, stets nun begleitet von den
beiden Doggen Castor und Pollux. Neben dem Seerosenteich zog sie Morganes
Gehege geradezu magisch an. Die arme eingesperrte Kreatur dauerte sie. Stundenlang
saß sie mit angezogenen Knien vor den Eisenstäben und grübelte vor sich hin.
Das Tigerweibchen kam jedes Mal zu ihr und legte sich in ihre Nähe. Emilia
hätte nur ihre Hand auszustrecken gebraucht, um sie zu berühren.
Den grobschlächtigen
Knecht, der Morgane versorgte, sah sie kaum und wenn, aus der Ferne. Vermutlich
hatte er Anweisung, sich ihr nicht zu nähern. Morgane und die beiden Hunde
wurden zu ihren neuen Vertrauten. Emilia erzählte ihnen alles, was sie auf dem
Herzen hatte, bis hin zu ihrer unerfüllten Liebe zu Francesco Colonna.
Besonders Morgane gab ihr das Gefühl, aufmerksam zuzuhören. „Du versteht mich,
oder?“, seufzte Emilia und lehnte ihren Kopf an den Zaun. „Man hat uns beide
gegen unseren Willen eingesperrt. Dich, weil deine seltene Schönheit das
Begehren eines Sammlers geweckt hat, und mich für etwas, wovon ich nicht einmal
sicher bin, ob ich es überhaupt benennen kann. Doch du bist von uns beiden weit
schlechter dran. Ich habe wenigstens noch die Hoffnung, eines Tages frei zu
kommen. Du aber wirst allein und fern von
Weitere Kostenlose Bücher