Das Hexenkreuz
sehe, hat
die schwarze Witwe nicht vor, ihn aus ihren Fängen zu entlassen.“
„Du kannst
gerne für ihn beten“, erwiderte Emilia schnippisch. Da sie das Thema nicht
weiter zu vertiefen wünschte, erkundigte sie sich nach Vico: „Was treibt mein
kleiner Sohn? Er hat vorhin ziemlich laut geschrien.“
Serafina
sprang sofort darauf an: „Ja, unser kleiner Vico weiß, was er will und wie er
es bekommt. Zur Stunde geht er seiner Lieblingsbeschäftigung nach.“
„Wie?“,
entfuhr es Emilia. „Er trinkt schon wieder? Meiner Treu, er wird die arme
Antonella aussaugen, bis nichts mehr von ihr übrig ist.“
„Deine
Bedenken in Ehren, doch das wird hoffentlich noch eine Weile hin sein, bis die
Gute wie einer leerer Weinschlauch in sich zusammenfällt“, erwiderte ihre
Freundin trocken.
In der Tat
war die Amme die dickste Person, die man sich vorstellen konnte, mit Brüsten,
so prall wie Melonen - und daher genau die Richtige für den nimmersatten
Ludovico. Es klopfte an der Tür und der eintretende Diener kündigte ihr den
sehnlichst erwarteten Besuch an.
„Gehe ich
richtig in der Annahme, dass du den schönen Pater wieder alleine empfangen
möchtest?“ Die Art und Weise wie Serafina dies sagte, stellte eine meisterliche
Mischung zwischen Anzüglichkeit und Missbilligung dar.
Emilia
ignorierte ihre Bemerkung. Ohne ihre Freundin zu beachten, schritt sie mit hoch
erhobenem Kopf an ihr vorbei. Auf der Treppe musste sie an sich halten, um sie
nicht hinabzustürmen, sondern sie mit den gemessenen Schritten einer Dame zu
absolvieren. Bevor sie den Salon betrat, schöpfte sie nochmals tief Luft. Nun
galt es. Hatte sich Francesco heute nicht aus freien Stücken zu ihr begeben?
Dies musste etwas bedeuten. Sie waren füreinander bestimmt, das hatte sie von
ihrer ersten Begegnung an gewusst. Sie trat ein.
Die
Enttäuschung traf die junge Frau völlig unvorbereitet. Francesco war zwar da,
doch er war nicht allein: Diesmal hatte er männlichen Geleitschutz mitgebracht.
Neben ihm, in ein Gespräch am Kamin vertieft, lehnte ein hochgewachsener
blonder Mann. Die beiden Besucher unterbrachen sich sofort bei Emilias
Erscheinen und Francesco kam auf sie zu. Der fremde Gast folgte einen Schritt
hinter ihm. Colonna verbeugte sich: „Ich freue mich, Euch wohlauf anzutreffen,
Duchessa. Ich hoffe, Ihr verzeiht, dass ich mir erlaubt habe, unangekündigt
einen Freund mitzubringen? Darf ich Euch den russischen Fürsten Sergej
Iwanowitsch Wukolny vorstellen?“
Der große Russe
trat näher. Er verbeugte sich ebenfalls, jedoch wesentlich tiefer als sein
Freund.
„Und dies,
Durchlaucht“, fuhr Francesco fort, „Ist die Herzogin von Pescara, Emilia di
Stefano di Savoyen.“
„Madame, ich
bin entzückt endlich Eure Bekanntschaft machen zu dürfen. Ganz Rom spricht von
Eurer unvergleichlichen Schönheit und Eurem Liebreiz. Doch Worte allein könnten
Euch niemals gerecht werden“, meinte der Fürst galant und hauchte einen Kuss
auf die ihm dargebotene Hand. Dabei wandte er nicht eine Sekunde den Blick von
der strahlenden Erscheinung vor ihm ab. Francesco, wie gewöhnlich derselbe
ungehobelte Klotz, schien nicht die geringste Notiz von ihrem Aussehen zu
nehmen. Emilia ärgerte sich über ihn.
Immerhin
erfuhr ihre Schönheit die gebührende Resonanz in den Augen des Fürsten Wukolny.
Die unverhohlene Bewunderung, die ihr der junge russische Fürst von der ersten
Sekunde an entgegenbrachte, verleitete Emilia dazu, ihm ihre gesamte
Aufmerksamkeit zu widmen. Francesco hatte eingangs erwähnt, dass der Fürst eine
kleine dreijährige Tochter hatte. Sofort entwickelte sich zwischen ihnen eine
lebhafte Debatte über Kinder und die Freuden und die Sorgen, die ihre Existenz
mit sich brachte.
Emilia
gefiel der Russe, der mit großer Zärtlichkeit von seiner kleinen Tochter
sprach. Diese Sanftmut stand im auffälligen Gegensatz zu seiner Erscheinung:
Wukolny war ein Hüne von Mann, mit Beinen wie Säulen und Händen, die ohne Mühe
Emilias Taille umspannen konnten. Sein dichtes blondes Haar trug er kurz
geschnitten und sein Bart rahmte sinnliche Lippen ein. Besonders gefielen
Emilia seine ruhige kultivierte Art und die klaren braunen Augen. Trotzdem
glaubte Emilia auch eine Spur von Traurigkeit in ihnen entdeckt zu haben. Francesco
beteiligte sich nur anfänglich am Gespräch, danach verlegte er sich auf die
Rolle des stillen Beobachters. Er hatte sich rechts von Emilia gesetzt und den
Stuhl unauffällig so platziert, dass sein Gesicht im
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