Das Hexenkreuz
zwar aus dem einzigen Grund, weil ich eine alleinstehende
Frau bin!“
Francesco
schüttelte unwillig den Kopf. „Ihr versteht mich nicht oder Ihr wollt mich
nicht verstehen. Ich möchte Euch einfach nur Unbill ersparen, nicht mehr und
nicht weniger. Ihr seid eine immens reiche und schöne junge Witwe mit einem
kleinen Sohn. Ihr benötigt männlichen Schutz.“
„Wollt Ihr
mir damit sagen, dass nur ein Mann mich vor den Männern schützen kann? Gebt es
zu, selbst Ihr legt für die Allgemeinheit der Männer kein gutes Zeugnis ab. Ihr
solltet wissen, die Geier kreisen längst… Seht, dort auf dem Tablett auf dem
Kaminsims, stapeln sich bereits die Billets der Heiratswütigen, vom Jüngling
bis zum achtzigjährigen Greis. Sie alle eint ein einziges Bestreben: Sich das
Vermögen meines Sohnes unter den Nagel zu reißen. Ist es das, was Ihr Euch für
mich wünscht? Dass ich mich erneut einem Mann ausliefere, der sich voller Gier
auf mein Vermögen stürzen wird und sich jede Nacht ebenso gierig an meinem
Körper sättigt? Glaubt mir, allein die Vorstellung verursacht mir Übelkeit.
Aber darüber macht Ihr Männer Euch keinen einzigen Gedanken, denn der Körper
der Frau gehört ja nach Recht und Gesetz ihrem Gatten, nicht wahr? Ich vertrete
die Meinung, dass mein Körper allein mir gehört und ich allein entscheide, wem
ich ihn schenke, hört Ihr?“ Atemlos hielt sie inne. Längst hatte sie die
Wahrheit erkannt und beinahe war sie versucht gewesen, ihm ihr geheimes Wissen
entgegenzuschmettern, dass gerade er es doch verstehen müsste, wie es sich
anfühlte, der Willkür eines anderen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu
sein. So wie er ihren Körper kannte, hatte auch sie den seinen nackt erblickt. Sie
hatte die Spuren der grausamen Folterungen gesehen, die ihm eine perverse Frau
zugefügt hatte, während sie ihre sadistischen Gelüste an ihm befriedigte. Mehr
noch als sein Körper war seine Seele durch die Verstümmelungen Beatrices
gezeichnet worden. Doch sie zügelte ihr Temperament, da er sich so sehr bemühte,
das Geschehene vor jedermann zu verbergen. Sie wollte seinen Stolz nicht
verletzen, selbst wenn er den ihren verletzt hatte. Stattdessen sagte sie hart:
„Das Recht ist nichts, wenn man nicht die Macht hat, es durchzusetzen, ist es
nicht so? Ihr Herren habt die alleinige, die absolute Macht auf dieser Erde.
Doch nicht von Gottes Gnaden erlangt, sondern Ihr habt die Macht willkürlich an
Euch gerissen!“
Francesco
Miene wirkte angespannt. „Bitte, Herzogin. Quält mich nicht mit Macchiavellis
Credo. Ihr könnt mir glauben, dass mir der Gedanke der Freiheit wahrhaftig nicht
fremd ist. Ich habe das Gedankengut der Aufklärung eingehend studiert. Bedenkt
jedoch, dass ich als Jesuit gewissen Konventionen unterworfen bin.“
„Ihr meint wohl
eher gewissen Zwängen“, konterte Emilia. „Ich frage mich ernsthaft, wie es
kommt, dass ein kluger Mann wie Ihr sich das Denken aus freiem Willen
einschränken lässt? Wie man sehen kann, beherrscht Euer Orden Euer Leben
vollkommen, bis hin zu Eurer Kleidung. Was gäbe ich darum, diese
uneingeschränkte Freiheit des Mannes zu besitzen: Zu gehen, wohin ich will! Und
was tut Ihr? Ihr werft dieses Geschenk einfach so von Euch. Man könnte fast
meinen, dass Ihr Angst vor dem Leben außerhalb Eures Ordens habt! Ihr
verkriecht Euch in Eurer Soutane und…“
Ohne
Vorwarnung überwand Francesco die zwei Schritte, die sie trennten und riss
Emilia heftig in seine Arme. Die Lippen fest an ihrem Ohr, presste er hervor:
„Was wäre, wenn ich Euch beim Wort nähme? Den Jesuitenorden verließe, um Euch
zur Frau zu nehmen?“
So nah war
sie ihm noch nie gewesen. Sein warmer Atem und sein harter Körper an ihrem ließ
ihr Herz rasen. Die Versuchung, ihrer Schwäche nachzugeben und sich einfach in
seine Arme zu schmiegen, war geradezu übermächtig - doch Emilia wusste, dass
Francesco es nicht ernst meinte. Sie war zu weit gegangen und hatte ihn mit
ihren Worten getroffen. Dies war seine Art zu reagieren: Er forderte sie
heraus. Emilia musste all ihren Willen aufbieten, um sich aus seinen Armen zu
lösen. Francesco gab sie sofort frei. Sie beneidete ihn um seine
Selbstbeherrschung. Wie konnte er nur so beherrscht bleiben, während alles in
ihr vor Liebe zu ihm erbebte? Plötzlich stieg glühender Zorn in ihr empor. Sie
konnte einfach nicht verstehen, warum Francesco sich so gegen ihre Liebe
stemmte. Sie wusste, dass sie ihm nicht gleichgültig war. Konnte Gott
tatsächlich so
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