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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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einige Besuche bei
Geschäftspartnern zu absolvieren hatte. Er verließ die Villa noch vor ihnen und
erklärte, dass er erst spät zurückkehren würde. Entgegen ihrer Gewohnheit
schloss Emilia ihr Schlafzimmer und fand es bei ihrer Rückkehr am Mittag unversehrt
vor. Ihr Bruder Piero kehrte lange nach ihnen zurück. Er erklärte, dass er
auswärts bei einem Bekannten aus Venedig soupieren würde und man nicht auf ihn
warten sollte. Er kleidete sich um und verschwand in die laue Nacht.
    Es war ein
herrlicher Juliabend, angefüllt mit den Düften des Sommers. Sie saßen in dem im
englischem Stil erbauten Wintergarten, knabberten Pistazien und Konfekt und
schlürften gekühlte Sorbets. Durch das gläserne Dach funkelte das Firmament und
alle gaben sich träge ihrem Wohlbefinden hin. Es war spät geworden und das
Gespräch seit einiger Zeit verstummt, doch niemand verspürte Lust, jetzt schon schlafen
zu gehen. Emilia war in die Betrachtung der Sterne versunken und allmählich
glitten ihre Gedanken in einen trügerischen Frieden hinüber, der in ihr die
Hoffnung weckte, dass das Rad des Schicksals zu ihren Gunsten ausschlagen
würde. Genau da wurde die träumerische Stille durch die Haustürglocke
durchbrochen. Jedermann fuhr auf.
    „Wer mag
dies zu so später Stunde sein?“, wunderte sich Emilia.
    „Könnte es
nicht dein Bruder Piero sein? Vielleicht hat er zu viel Wein getrunken und muss
sich nun an der Glocke festhalten?“, kicherte Vittoria, deren gerötetes Gesicht
vermuten ließ, dass sie demselbigen ebenso eifrig zugesprochen hatte.
    „Ich werde
nachsehen“, erbot sich Serafina bereitwillig. Die Minuten verstrichen und sie
kehrte nicht wieder. Von vager Unruhe erfüllt, bat Emilia ihre Gäste Platz zu
behalten, und erhob sich nun selbst. Sie traf die Eingangshalle in regelrechtem
Aufruhr an. Eine im Halbkreis angeordnete und mit Leuchtern bewaffnete Bedienstetenschar
versperrte ihr die Sicht auf etwas, das sich mitten in der Halle zutrug.
Donatus, der auf der zweiten Stufe der nach oben führenden Freitreppe das
Geschehen mit angespannter Miene verfolgte, bemerkte das Erscheinen der
Hausherrin als Erster: „Platz für die Eccellenza“, rief er laut und die Gruppe
teilte sich vor Emilia wie das rote Meer. Serafina kniete neben einem
bewusstlosen Mann. Auf der anderen Seite kniete Piero. Seine Kleidung war blutverschmiert.
    Der Umhang
des Verletzten klaffte weit auseinander und das weiße Collar seines
Priesterstandes war nicht zu übersehen. Ein verletzter Priester - in ihrem
Haus…? Emilias Hände fühlten sich plötzlich kalt an. Sie sank neben
Serafina auf den Marmorboden. „Wer ist dieser Mann und was ist ihm geschehen?“,
erkundigte sie sich leise bei ihr.
    „Viel weiß
ich nicht. Piero behauptet, dass er bei seiner Rückkehr einige Gestalten vor
deiner Tür verjagt hat, die den Mann angegriffen haben. Er hat eine Wunde am
Kopf und viel Blut verloren. Mehr kann ich erst sagen, wenn ich ihn genauer
untersucht habe. Wo bleibt denn nun die Bahre?“, rief sie ungeduldig in die
Runde.
    „Hier kommt
sie“, erwiderte Donatus und dirigierte die beiden Dienstboten zu ihnen. Sie
betteten den Verletzten darauf. „Kehre du zu deinen Gästen zurück, Emilia. Ich
werde mich um ihn kümmern.“ Rasch gab Serafina Anweisung den Raum neben der
Bibliothek, der ihnen als Frühstückssalon diente, in ein provisorisches
Krankenlager umzuwandeln. Unter der Aufsicht von Donatus wurden der große Tisch
und ein Teil der Stühle fort- und ein Bett herbeigeschafft.
    Auch Piero
verabschiedete sich nun in sein Gemach. Er roch nach Alkohol und verlautbarte:
„Ich möchte die Augen der reizenden Markgräfin Vittoria nicht beleidigen.“ Er
tippte auf die Blutflecken auf seinem Gewand und stakste die Treppe hinauf.
    Aufgewühlt
kehrte Emilia zu ihren Gästen zurück. Sie informierte Augusto und Vittoria kurz
über das Geschehen. Der Markgraf brachte daraufhin seine Abscheu über die
Verwerflichkeit zum Ausdruck, einen Mann Gottes ausgerechnet in Rom und noch
dazu vor ihrer Haustüre zu überfallen. Das gräfliche Paar wünschte sodann eine
gute Nacht und zog sich in seine Gemächer zurück.
    Emilia blieb
allein in der Stille zurück, die sich plötzlich bedrückend anfühlte. Erst
Piero, dann Vittoria und ihr Mann und nun ein verletzter Priester. Der am
gestrigen Tag eingesetze Besucherstrom schien sich bei ihr die Klinke in die
Hand zu geben. Welche Überraschungen würde der in Kürze anbrechende sechste Tag
für sie

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