Das Hexenkreuz
Nämlich dass unsere wichtigsten Geheimdokumente
in die Hände unseres schlimmsten Feindes fallen. Jedenfalls…“
„Verzeiht,
dass ich wage Euch zu unterbrechen, Pater Baptista“, brachte sich Serafina in
das Gespräch ein. „Da gibt es etwas, das mich beschäftigt. Erlaubt mir deshalb
die Frage: Wenn diese Dokumente für das Überleben Eures Ordens so existenziell
sind, warum habt Ihr dann alles auf eine Karte gesetzt? Hätte man die Dokumente
nicht besser aufteilen und an mehreren geheimen Orten deponieren sollen?“
Pater
Baptista nickte. In seine bedrückte Miene mischte sich eine Spur Anerkennung.
„Ihr seid ein kluges Mädchen, Signorina La Tedesca. Ich erkenne in Euch Eure
Mutter wieder. Lasst mich Euch antworten, dass wir genau das getan haben. Neben
Pater di Stefano wurden zwei weitere Kuriere von unserem Pater General mit einer
ähnlichen Mission beauftragt. Von einem unserer Männer ist uns das Schicksal
bereits bekannt. Er wurde ergriffen und verhaftet. Vom zweiten Kurier haben wir
seit Tagen keine Nachricht und wir hegen inzwischen keinen Zweifel mehr an
seinem Schicksal. Seit Monaten schon stehen wir unter strikter Beobachtung. Wir
haben uns zu lange an die von unserem unglücklichen Papst Clemens XIII.
ausgegebene Parole gehalten, unser Heil mit Schweigen, Geduld und im Gebet zu
suchen. Das gab unseren Feinden genügend Zeit, ihre Legionen gegen uns in
Stellung zu bringen. Sobald ich in Erfahrung gebracht hatte, dass Pater di
Stefano ebenfalls im Verdacht stand, einer der Kuriere zu sein, habe ich mich
hierher aufgemacht, um die Dokumente an einen anderen Ort zu bringen. Als
einziger war ich von ihm eingeweiht worden. Ich habe jegliche erdenkliche
Sicherheitsmaßnahme ergriffen und mich in der falschen Hoffnung gewogen, dass
niemand mir gefolgt ist. Leider waren meine Bemühungen unnötig. Denn wie sich
zeigte, wurde ich hier bereits erwartet. Ich muss sagen, auch wenn wir Piero di
Stefano diesen Schlamassel zu verdanken haben, so hat er mir auch das Leben
gerettet. Wäre er nicht im rechten Moment erschienen, hätte man mir wohl den
Geraus gemacht und ich hätte mich bei den Fischen im Tiber wiedergefunden. Am
Ende ist das Ergebnis unserer Anstrengungen, einen Teil unserer geheimen
Schätze in Sicherheit zu bringen, mit null zu bewerten. Wir verfügen über
keinen Trumpf mehr, um mit unseren Feinden zu verhandeln. Ein einziges dieser
Dokumente würde ausreichen und wir könnten damit die Freilassung der Fürstin
erwirken. Unsere Feinde haben auf der ganzen Linie gesiegt. Ich habe versagt.“
Piero hatte
bei Baptistas Worten gestutzt, als stimmte ihn etwas daran nachdenklich. Er
zögerte jedoch sichtlich, seinen Gedanken laut auszusprechen. Baptistas
Adleraugen hingegen war Pieros Gestik nicht entgangen: „Was ist, Cavaliere?
Gibt es etwas, das Ihr uns vielleicht noch berichten möchtet?“
Piero wog
den Kopf: „Mir ist eine kleine Unregelmäßigkeit aufgefallen. Der spanische
Botschafter hat mich mit ziemlich harschen Worten beschuldigt, dass ich nicht
eine, sondern gar zwei Schriftstücke zurückbehalten hätte und beharrte darauf,
dass es sich bei den fehlenden Rollen um die Wichtigsten überhaupt handeln
würde. Hätten es also anstatt zwölf, nicht gar dreizehn an der Zahl sein
sollen?“ Piero bemühte sich bewusst um einen neutralen Ton. Schließlich war er
hauptsächlich wegen dieser beiden Dokumente zurückgekehrt. Dabei hatte er das
unangenehme Gefühl, dass Pater Baptista sich nicht von ihm täuschen ließ. Jener
hatte eine Art ihn anzusehen, als ob er ihm bis auf den Bodensatz seiner Seele
blicken konnte. Piero dachte nicht oft über sich selbst nach, doch er wusste,
dass dort unten eher trübes Licht herrschte.
Baptista
antwortete ihm nun bestimmt: „Ich kann Euch versichern, Cavaliere, dass wir
Eurem Bruder nur zwölf Dokumente anvertraut haben. Ich fürchte daher, dass ich
nicht nachvollziehen kann, worauf Moñino genau hinauswollte. Die Gier ist eine
gefährliche Krankheit und die von ihr Befallenen finden niemals Befriedigung.
Vermutlich hat sich der spanische Gesandte weitere Schätze erhofft.“
Eigenartigerweise
beschlich Piero nun seinerseits das Gefühl, dass der Pater sehr genau wusste,
auf welches weitere Dokument der Spanier angespielt haben könnte.
Während des
Dialogs zwischen den beiden Männern hatte Serafina die größte Mühe gehabt, ihre
wachsende Ungeduld unter Kontrolle zu halten. Nun war der Punkt überschritten:
„Verzeiht, Pater Baptista. Aber ist
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