Das Hexenkreuz
stützte ihren
Kopf und setzte ihn vorsichtig an ihre Lippen. Serafina nahm ein, zwei
Schlucke, hustete und spuckte ihn dann in hohem Bogen aus. „Pfui Teufel, du
hast Recht, Emilia. Er schmeckt wirklich scheußlich. Du hast meine Heilkräuter
mit dem Tee verwechselt.“
Emilia
musterte betrübt die schlammig grüne Farbe. Serafina hätte angesichts ihrer
drolligen Miene am liebsten laut aufgelacht, wenn die dadurch ausgelöste
Erschütterung sie nicht so geschmerzt hätte. „Was ist eigentlich passiert? Das
Letzte, an das ich mich erinnern kann, ist, dass die Pistole losgegangen ist.“
„Ein Bär hat
uns angegriffen. Das verflixte Vieh hat mich dermaßen schnell überrannt, dass
mir keine Zeit blieb, zu reagieren. Ich dachte schon, mein letztes Stündlein
hätte geschlagen. Dann hast du geschossen und der Bär ist verschwunden.
Entweder wurde er getroffen oder du hast ihn mit dem Knall verjagt. Er ist so
oder so weg. Hoffe ich jedenfalls ...“
Emilia zog ihren
Degen und betrachtete die Klinge. „Du siehst aus, als hättest du einen guten
Freund verloren“, bemerkte Serafina.
„Ist es
nicht so? Da habe ich mich großspurig bei etwaigen Gefahren auf meine
Degenkünste verlassen, dabei hat er mir eben rein gar nichts genutzt. Ohne dich
wäre ich sogar schon zweimal verloren gewesen. Du hattest Recht, mich vor
dieser Reise zu warnen, Serafina. Wir kehren morgen um. Ich begleite dich bis
nach Barisciano zurück und setze meine Reise alleine fort. Ausgeschlossen, dass
du dein Leben weiter für mich aufs Spiel setzt.“ Emilia schob den Degen zurück
in seine Scheide. Serafina antwortete nicht sofort. Sie streckte den
Zeigefinger aus, um mit ihm die Umrisse des Mondes nachzuzeichnen, der sich
kurz zwischen zwei Wolken zeigte. „Weißt du“, meinte sie dann, „Ich bin noch
nie in Rom gewesen und wollte es immer schon einmal sehen.“
„Tu nicht
so, als hättest du mich nicht verstanden“, erwiderte Emilia. „Ich meine es
ernst. Es ist mein Leben und ich bestimme selbst darüber.“
„Natürlich,
Amore mio. Aber genauso möchte auch ich über mein Leben selbst bestimmen. Mit
welchem Recht schickst du mich also weg?“ Serafinas letztes Wort ging in einem
schmerzhaften Stöhnen unter. Sofort warf sich Emilia neben ihr auf die Knie.
„Oh Serafina, ich bin einfach unmöglich. Du bist schwer verletzt und ich habe
ich nichts Besseres zu tun, als mit dir Streit anzufangen. Verzeih mir. Kann
ich etwas für dich tun? Soll ich dir einen richtigen Tee kochen?“
„Nein, gib
mir nur ein bisschen Wasser.“ Nachdem sie mit Emilias Unterstützung getrunken
hatte, ließ sich Serafina zurück auf ihr Lager gleiten.
„Sag, wie
hast du dich eigentlich verletzt?“, fragte Emilia ihre Freundin, während sie
den Verband überprüfte. Die Blutung schien gestillt.
„Ich
vermute, der Rückschlag der Pistole hat mich gegen den Felsen geschleudert.
Außer meinem Kopf hat es auch meinen Rücken erwischt. Ich glaube, meine Rippen
präsentieren sich in hübschen Farben. Erinnere mich bitte daran, nie mehr so
ein Teufelsding in die Hände zu nehmen.“
„Wie hast du
es überhaupt zuwege gebracht, sie abzufeuern? Hattest du nicht gesagt, dass du
keinen blassen Schimmer davon hast?“
„Ja, und den
habe ich immer noch nicht. Dein Schrei hat mich geweckt und ich wusste, dass
ich irgendetwas unternehmen musste. Ich bin herumgekrochen und die Pistole fiel
mir zufällig in die Hände. Sie muss schon geladen gewesen sein - ein Funke
genügte und sie ging los. Ein Glück ist nur, dass ich dich nicht getroffen
habe. Sei´s drum. Der Bär ist weg. Zumindest wissen wir jetzt, wessen Höhle das
hier ist. Wir sollten diesen Platz hier verlassen, solange wir nicht wissen, ob
er tot ist oder wir ihn nur vertrieben haben. Der Bär wird sein Zuhause nicht
kampflos aufgeben. Noch einmal sollten wir unser Glück nicht herausfordern.“
„Und wo
sollen wir mitten in der Nacht hin?“
Ein gewaltiger
Blitz tauchte ihren Lagerplatz in ein grelles Licht und enthob Serafina einer
Antwort. Sekunden später rollte der Donner heran. Das Gewitter näherte sich
ihnen rasend schnell von Osten. Von Umzug konnte keine Rede mehr sein. Emilia
half Serafina auf und brachte sie auf ihre Schulter gestützt in die Höhle.
Unmittelbar hinter dem Eingang ließ sich ihre Freundin auf dem felsigen Boden
nieder. Rasch eilte Emilia zurück, sammelte ihre Habseligkeiten ein und brachte
sie ins Trockene. Dann die Sättel. Zuletzt holte sie die Pferde. Das
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