Das Hexenkreuz
Wölfe sollte man
nicht auf die eigene Spur ansetzen. Was ist?“ Ihre Tochter wirkte gequält.
„Ich glaube,
es ist besser, du schreibst ihr. Wir beide hatten heute einen hässlichen Streit
und ich befürchte, dass Filomena nicht kommen wird, wenn ich sie darum bitte.“
Donna Elvira
lächelte spöttisch. „Frauen… Wann werden wir lernen, dass wir in dieser von
Männern beherrschten Welt nur überleben können, wenn wir zusammenhalten und füreinander
einstehen? Es ist gut, Tochter. Ich übernehme das. Sorge du für unsere Gäste.“
Filomena traf gegen Mitternacht in der Villa Meraviglia ein.
Die Zusammenkunft der drei Frauen fand in Emilias Schlafgemach statt. Donna
Elvira hatte Pater Baptista einen extra starken Schlaftrunk bereitet. Piero und
der Markgraf unterhielten sich noch im Rauchsalon, während sich Vittoria gleich
nach dem Abendessen in ihr Zimmer zurückgezogen hatte. Seit dem heutigen Tag
wusste sie, dass sie guter Hoffnung war. Aus diesem Grund hatte ihr Gemahl ihre
Rückreise nach Florenz bereits für den nächsten Morgen beschlossen. Um Vittoria
jegliche Aufregung zu ersparen, hatte man dem gräflichen Paar auch vorsorglich
Emilias Verhaftung verschwiegen. Die offizielle Version lautete, dass sich die
Fürstin in dringenden Geschäften nach Civitavecchia begeben hatte.
„Ihr habt
mich hergebeten?“, sagte Filomena steif.
„Ja“,
antwortete ihr Serafina. „Als erstes solltest du wissen, dass Emilia heute
durch päpstliche Soldaten verhaftet wurde.“
„Sie wurde
verhaftet?“, rief Filomena bestürzt.
„Ja. Hör zu,
wir wissen, dass Emilia nur eine Abschrift des Jesus-Evangeliums mit sich
führte. Ich nehme an, diese stammt aus deiner Feder?“, konfrontierte Serafina
sie sofort.
„Ihr wisst
davon? Wie?“ Filomena geriet darüber etwas außer Fassung.
„Der
russische Botschafter Prinz Galitzin hat uns informiert. Er konnte eine Audienz
beim Papst erwirken und kurz auch Emilia sehen.“
„Wie geht es
ihr?“
„Den
Umständen entsprechend. Verständlicherweise will man nun von ihr mit allen
Mitteln erfahren, wo sich das eigentliche Original des Evangeliums befindet.“
„Was soll
das heißen, mit allen Mitteln?“
„Dass man
sie bereits ausgepeitscht hat…“
Filomena
sank in sich zusammen. „Ich verstehe“, murmelte sie. Sie erhob sich und griff
nach ihrem Umhang.
„Wo willst
du hin?“, fragte Serafina, die wusste, dass Filomenas Impulsivität jener von
Emilia kaum nachstand.
„Selbstverständlich
die Originalrolle holen und Emilia damit auslösen. Was denn sonst?“
„Setz dich
wieder“, forderte sie Donna Elvira auf. „Davon kann keine Rede sein. Du
riskierst nur, dass man die Rolle mit Dank entgegennimmt und du am Ende ein
Verließ mit Emilia teilst. Sie wollen nicht die Rolle allein, sondern auch die
Hintermänner. Laut Pater Baptista hat Bertolli vor, den Jesuitenorden mit dem Jesus-Evangelium
endgültig zu diskreditieren und in den Abgrund zu stoßen. Bertollis Gleichung
ist simpel: Mit dem Original könnte er dem Papst stichhaltig beweisen, dass die
Jesuiten es aus dem vatikanischen Geheimarchiv gestohlen haben. Wie hätte es sonst
in den Besitz des Ordens gelangen können? Durch Francesco Colonna wissen wir
jedoch, dass Papst Paul III. persönlich das Evangelium dem Ordensgründer Ignatius
von Loyola mit dem Auftrag übergeben hat, es vor fremden Zugriff zu schützen.
Da das päpstliche Schriftstück, das die Verwahrung bewies, in der Nacht des Todes
von Clemens XIII. verschwand, muss sein Nachfolger davon ausgehen, das der
Orden das vierte Gelübde, das ihm Treue schwört, verletzt und sein Vertrauen missbraucht
hat. Darüber hinaus giert Bertolli auch nach einer gewissen Schatzkarte aus
Beatrices Besitz.“
Filomena
konnte nicht vermeiden, dass sie blass wurde. „Ich nehme an, das hast du ihr
verraten?“, sagte sie bissig zu Serafina.
„Nein,
Mutter hat es wie immer erraten “, erwiderte Serafina liebenswürdig. Nur
Serafina war dabei gewesen, als Emilia die Karte kurz nach Beatrice und Carlos
Tod, Filomena übergeben hatte. Emilia hatte es ihr überlassen, ob sie sie
behalten oder vernichten wollte. Sie wollte das Inka-Gold nicht, zögerte jedoch,
die Karte Emanuele zu überlassen, da Serafina beharrte, ein Fluch würde auf ihr
liegen. Darum hatte sie das, was sich noch im unterirdischen Geheimstollen
Beatrices in Sulmona befunden hatte, auch vollständig für wohltätige Zwecke
hergegeben.
„Und? Hast
du sie vernichtet?“, stellte
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