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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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ehrfürchtig. „Die frühen Menschen hielten mit diesen Malereien die
Stationen ihres Lebens fest. Hast du dieses…‘“
    „Sag mal,
was hat denn Luigi da schon wieder?“, unterbrach Emilia sie. Misstrauisch
näherte sie sich ihm und stieß einen lauten Schrei aus. Der brennende Span
entglitt ihrer Hand und erlosch. Serafina beeilte sich, einen neuen zu
entzünden. Das Licht erfasste ihre Freundin, die starr einen Punkt fixierte.
    Mit der
größten Selbstverständlichkeit hielt das verflixte Vieh einen riesigen Knochen
im Maul, dessen abgerundete Enden rechts und links daraus hervorragten.
Konzentriert kaute es darauf herum.
    „Wirklich,
du bist doch kein Hund!“, schimpfte Serafina und entriss ihm den Knochen. Trotz
seiner Größe fühlte sich dieser erstaunlich leicht an. Nun entdeckte sie auch die
Ursache von Emilias Schrei: Auf dem felsigen Boden lag ein menschlicher Schädel
und starrte sie aus leeren Augenhöhlen an. Weitere menschliche Überreste fanden
sich überall verstreut, die meisten davon angenagt. Offenbar hatten sich vor
Luigi schon etliche andere Tiere daran gütlich getan. „Arme Seele“, murmelte
Serafina und bekreuzigte sich. Emilia tat es ihr hastig gleich. „Was meinst du?
Wie lange wird er hier schon liegen?“
    „Schwer zu
sagen“, antwortete Serafina. Sie bückte sich und tippte mit der Fingerspitze
vorsichtig den Schädel an. Er war an einer Stelle eingedrückt. Ein jäher Blitz
von Schmerz und Verzweiflung durchzuckte sie bei der Berührung und sie fuhr
erschrocken zurück. Erschüttert rieb Serafina ihre Hand an ihrer Hose, als
hafteten die furchtbaren Erinnerungen des Verstorbenen daran.
    „Wir sollten
ihn begraben“, sagte Emilia mit gedämpfter Stimme, da die Toten nach Stille
verlangten.
    „Sicher,
aber ohne Schaufel?“, wandte Serafina ein.
    „Wir könnten
ihm ein Steingrab bauen, so wie man es in den alten Zeiten gemacht hat“, schlug
Emilia vor.
    „Ein
Hügelgrab? Ja, warum eigentlich nicht?“, stimmte Serafina nach kurzer
Überlegung zu. „Dann lass es uns gleich tun.“ Sorgfältig sammelten sie die
sterblichen Überreste ein und legten sie mangels einer anderen Möglichkeit auf
einer ihrer Pferdedecken ab. In einer weiteren Ecke stießen sie auf ein Häufchen
verrotteter Kleider. Emilia zeigte auf sie. „Sollen wir die Sachen mit ihm
begraben?“
    „Ich denke,
es lohnt nicht. Es sind ja kaum mehr als Lumpen übrig.“
    Sie trugen
die Decke mit den Knochen nach draußen und wählten einen Platz unter einem
einzelnen Felsen aus. Diese letzte Ruhestätte bot dem Toten einen herrlichen
Panoramablick in das Tal. Vorsichtig häuften sie ausreichend Steine rundherum
auf.
    Serafina
hatte aus zwei kleinen Holzstücken und einem Faden ein primitives Kreuz
gefertigt und klemmte es zwischen den Steinen fest. Danach sprachen sie ein
gemeinsames Gebet für den Unbekannten. Mit leisem Staunen meinte Serafina
anschließend: „Irgendwie fühle ich mich jetzt leichter, befreiter...“
    „Mir ergeht
es ebenso. Vielleicht liegt es daran, weil wir eine arme Seele erlöst haben?“
    Bei ihrer
Rückkehr in die Höhle ertappten sie den unverbesserlichen Luigi dabei, wie er
mit der Schnauze das halb verrottete Kleiderbündel des Toten durchwühlte. Von
seinem Schlappohr baumelte ein Fetzen dunklen Stoffs.
    „Pfui, du
unmögliches Vieh. Nichts als Unsinn im Kopf!“ Emilia scheuchte ihn weg. Sie
wollte die Lumpen mit dem Fuß wegstupsen, um sie außer Reichweite Luigis zu
platzieren, als sie gegen etwas Festes stieß. Sie bückte sich und fand unter
den Kleidern eine Ledertasche. Die überlappende Lasche öffnete sich und ein
kleiner Beutel purzelte zu Boden. Luigi nutzte seine Chance und schnappte ihn
sich. Emilia stürzte sich auf ihn. „Hilf mir, Serafina“, rief sie. „Er frisst
es sonst.“ Mit vereinten Kräften versuchten sie ihm das Maul aufzustemmen.
Emilia griff geistesgegenwärtig nach einer Mohrrübe, hielt sie ihm unter die
Nase und Luigi schnappte danach. Etwas blitzte kurz in seinem Schlund auf wie
ein blauer Stern, dann fiel der Beutel heraus. Luigi zermalmte die Mohrrübe und
rülpste vernehmlich.
    „Du hast
scheußliche Manieren, weißt du das?“, schimpfte Serafina mit ihm.
    Emilia
betrachtete verblüfft den Beutel. Durch einen Riss sickerte vielfarbiges Feuer,
das sich in flammenden Blitzen über die Felswände ergoss. Sie schüttete den
gesamten Inhalt auf ihre Handfläche. „Ist es das, was ich denke?“, fragte sie ehrfürchtig.
Vorsichtig berührte

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