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Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Titel: Das Hexenmal: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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lief er in den Hinterhof des Rathauses, wo er sich unter dichtem Buschwerk versteckte. Traurig blickte er auf das Gebäude in dem Wissen, dass er die arme, verwirrte Greta Ackermann nun nicht mehr würde retten können. In Gedanken versprach er, für ihre verlorene Seele zu beten.
     
    Erschöpft nickte der junge Franziskaner ein, doch aufgeregte Stimmen in unmittelbarer Nähe weckten ihn wieder. Er getraute sich kaum zu atmen. Selbst hier schien er nicht sicher zu sein, und es war nur eine Frage der Zeit, bis man ihn finden würde. Burghard wusste, dass er fort sein musste, bevor der Tag anbrach. Doch wohin sollte er gehen?
    Hilflos kauerte er unter dem Busch. Er war noch nie auf sich allein gestellt gewesen. Stets hatten andere entschieden, was er zu tun oder zu lassen hatte. Zuerst seine Eltern, dann Bruder Kuno, im Kloster die älteren Franziskaner und zuletzt Barnabas und sein Lehrmeister Servatius.
    ›Servatius, wie konntest du nur annehmen, dass ich zu so etwas fähig wäre?‹, dachte Burghard enttäuscht.
    Er wischte sich zornig die Tränen aus dem Gesicht. Wie ein kleines Kind umklammerte er die Knie und wiegte sich hin und her.
    »Nie und nimmer würde ich mich daran vergreifen«, flüsterte er in die Dunkelheit.
    Doch Burghard ahnte, dass Servatius ihm nicht glauben würde und dass es kein Zurück für ihn gab. Fände man ihn, so wäre ihm der Kerker sicher – falls der ältere Mönch ihn nicht zuvor eigenhändig umbringen würde.
    Plötzlich kam ihm Magister Behrhoff in den Sinn. Er allein konnte bestätigen, dass er den Abend und die halbe Nacht bei ihm zu Hause zugebracht hatte. Dieser Gedanke entspannte den Jungen ein wenig. Dass er nicht gleich an den gelehrten Mann gedacht hatte! Fast geräuschlos kroch Burghard unter dem Busch hervor und schlich im Schutz der Dunkelheit zum Haus des Magisters.
    An der Pforte des Wohnhauses von Johannes Behrhoff klopfte Burghard zuerst zaghaft an, doch als niemand aufmachte, schlug er mit den Fäusten gegen das Tor. Zu seiner Erleichterung öffnete Behrhoff selbst. Mit verschlafenen Augen sah er den Mönch erstaunt an.
    »Was willst du? Hast du etwas vergessen?«, fragte der Magister und gähnte herzhaft. Da Burghard befürchtete, jemand könne sie belauschen, schob er sich an ihm vorbei durch das Tor. Verdutzt sah Behrhoff ihm nach. Im Hausgang konnte Burghard seine Gefühle nicht mehr kontrollieren und begann am ganzen Körper zu zittern. Kreidebleich stand der junge Mönch vor dem Magister und brachte keinen Ton heraus. Erst jetzt erkannte Behrhoff die Verzweiflung des Jungen.
    »Herr im Himmel, junger Freund, was ist passiert?«
    Als Burghard sich beruhigt hatte, sagte er mit angstvoller Stimme und bittenden Augen: »Ich brauche Eure Hilfe!«
    Verständnislos blickte ihn der Magister an.
    Der junge Franziskaner fuhr fort: »Mein Lehrmeister Servatius bezichtigt mich, sein Geld gestohlen zu haben, und will mich umbringen.«
    Behrhoff, der mit einem Schlag hellwach war, schaute den Mönch ungläubig an. Im Studierzimmer schenkte er sich und dem Jungen Wein ein. Mit jedem Schluck wurde Burghard ruhiger und konnte nun von vorne erzählen, was sich ereignet hatte.
     
    »Aber das ist nicht wahr! Du warst doch die ganze Zeit bei mir – in meinem Haus.«
    »Das wissen wir beide, aber weder Barnabas noch Servatius …«
    »Warum erklärst du es ihnen nicht?«
    Erschrocken blickte Burghard ihn an.
    »Servatius hasst mich und würde mir niemals Glauben schenken. Er würde mich nicht ausreden lassen, sondern sofort auf mich einprügeln.«
    Behrhoff holte tief Luft. Er ahnte, dass der Junge Hilfe brauchte, doch wusste er nicht, was er für ihn tun konnte. Würde bekannt werden, dass er einem mutmaßlichen Dieb geholfen hatte, so würde man auch ihn anklagen. So manch einem Einwohner von Worbis wäre dies ein willkommener Anlass, um ihm Schwierigkeiten zu machen. Schwieg er aber, so würde er sich ebenso verhalten wie die Menschen, denen er Ignoranz und Gleichgültigkeit vorwarf. Der Magister dachte angestrengt nach. Schließlich sagte er: »Ich werde dich begleiten und aussagen, dass du die ganze Zeit bei mir gewesen bist und deshalb nichts gestohlen haben kannst.«
    Verzweifelt unterbrach der junge Mönch den Gelehrten: »Versteht Ihr nicht? Servatius wird auch Euch nicht glauben! Er lehnt Euch ab und wird vermuten, dass wir unter einer Decke stecken … Ich konnte Servatius’ Augen sehen, und sie machten mir Angst. Ich kenne ihn und weiß, dass er seinen Worten Taten

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