Das Hexenmal: Roman (German Edition)
Ferdinand II. die Gelegenheit nutzen und sich einmischen. Katholiken gegen Lutheraner. Wir wissen, was das bedeuten kann.«
Plötzlich herrschte Stille. Dann schlug Rehmringer mit der flachen Hand auf den Tisch und fügte augenzwinkernd hinzu: »Allerdings, wie sagt man so schön: ›Des einen Freud ist des anderen Leid.‹ Sollte es tatsächlich so weit kommen, dann werden Pferde gebraucht. Viele Pferde, schnelle, kräftige Rösser. Unser Geschäft wird sich verdoppeln. Übrigens, wie viele Einjährige habt Ihr im Stall, die mich interessieren könnten, Herr Münzbacher?«
Der überlegte rasch. Sollte es tatsächlich zum Krieg kommen, dann wäre er ja dumm, wenn er alle einjährigen Fohlen Rehmringer für das übliche Geld verkaufen würde. Er könnte sie selbst zu guten Kutschpferden ausbilden lassen und anschließend für das Dreifache veräußern. An den Pferdekäufer gewandt meinte er schließlich: »Acht könnt Ihr haben. Acht Jährlinge sind zum Verkauf …«
Rehmringer war zu lange im Geschäft, um nicht sofort zu durchschauen, dass Münzbacher log. Er wusste, dass auf diesem Gestüt mindestens zwanzig Pferde standen, die für ihn in Frage kamen. Nun ärgerte er sich über sich selbst, so unbedacht
geredet zu haben. Er durchschaute Münzbacher, ohne ihn anzublicken und kannte dessen Gedankengänge. Im Grunde brauchte er sich nicht aufzuregen. Schließlich gab es genügend Gehöfte, wo er Pferde erwerben konnte. Allerdings war es auch gewiss, dass auf dem Arnoldschen Hof die besten Rösser geboren wurden. Ihre Blutlinien waren seit Jahrzehnten unverfälscht. Kräftige, große und doch schnelle Pferde entstammten diesem Gestüt. Was sollte er machen? Wilhelm Münzbacher war ein schlauer Fuchs, aber unsympathisch und gerissen. Schnell hatte er sich Kenntnisse über die Pferdezucht angeeignet, und nun glaubte er, schlauer als Rehmringer zu sein. Während der Pferdehändler gelangweilt einen Schluck Wein nahm, beobachtete er sein Gegenüber. Der schien in Gedanken schon seinen Profit auszurechnen.
»Das ist schade, mein Lieber. Sicherlich, die Stuten werden älter, und wenn keine brauchbaren nachkommen … Ihr müsst aufpassen, dass sich das nicht herumspricht: Nein, wie tragisch, gerade jetzt, wo ich einen Kunden habe, der nächstes Jahr zwanzig ausgebildete Pferde haben möchte. Nun, dann muss ich wohl in Sachsen meinen Bestand aufstocken. Allerdings, Herr Münzbacher, werden Sie verstehen, dass ich von den acht Rössern Abstand nehmen muss, die Ihr mir freundlicherweise verkaufen wolltet. Der Kunde will keinen Mischmasch von verschiedenen Gestüten, sondern ist darauf bedacht, eine eingängige Linie zu erhalten. Schade! Doch … vielleicht kommt es im nächsten Jahr wieder zu einem Kaufabschluss. Allerdings werde ich dann erst einen Monat später hier vorbeischauen, dann, wenn ich meine Fahrt in Sachsen beendet habe.«
Genussvoll leerte Rehmringer sein Glas. Für ihn war alles gesagt, und deshalb stand er auf, um seiner Mutter aus dem Stuhl zu helfen.
Anna kannte sich im Pferdegeschäft gut genug aus, um zu wissen, dass dieses entgangene Geschäft sie viel Geld kosten
würde. So wie jedes weitere Geschäft auch, denn sollte Rehmringer mit einem Gestüt in Sachsen zufrieden sein, dann würde er später alle anderen Pferdekäufe ebenfalls dort tätigen und den Arnoldschen Hof außer Acht lassen.
Was dachte sich Wilhelm nur? Anna wusste, dass über zwanzig Pferde auf einer Koppel am Waldesrand standen, die für diesen Verkauf geeignet waren. Warum sagte ihr Mann nicht die Wahrheit, sondern schien absichtlich den Verkauf verhindern zu wollen?
»Wilhelm …«, sagte sie, doch verstummte, als sie seinen zornigen Blick sah. Ihr Mann wusste, dass er in dem Moment verloren hatte, wenn der Pferdehändler das Haus verlassen würde. Doch sollte er zugeben, dass er gelogen hatte, und so sein Gesicht verlieren? Er brauchte nicht weiter zu überlegen, denn Clemens kam geradewegs zur Tür herein und strahlte Herrn Rehmringer und dessen Mutter an. Als der Pferdehändler den jungen Mann sah, hallte sogleich sein tiefes Lachen durch den Raum. Zur Begrüßung klopfte Rehmringer ihm wohlwollend auf die Schulter. Clemens erwiderte den Schulterschlag und fragte scheinbar unwissend: »Ihr wollt schon gehen? Ich bin gekommen, um Euch die Einjährigen zu zeigen.«
Clemens hatte das Gespräch der Männer vor der Tür belauscht und sich schnell eine Taktik zurechtgelegt, um das Geschäft doch noch zu retten.
Überrascht
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