Das Hexenmal: Roman (German Edition)
Du und deine Helfershelfer habt sie für böse erklärt, nur weil sie eine Frau war, die sagte, was sie meinte. Allein unter der Folter hat sie alles zugegeben. Als sie die Schmerzen nicht mehr ertragen konnte, war sie geständig. Nichts Unheilbringendes hatte sie getan, niemandem Leid zugefügt. Deshalb wird unser Herrgott sie in den Himmel aufnehmen, obwohl das Feuer ihr Tod war. Sie und unser ungeborenes Kind. Doch ihr werdet in der Hölle schmoren. Dafür werde ich sorgen!«
Die Hände des Mannes legten sich von hinten um die Kehle des Mönchs. Burghard geriet in Panik und versuchte sich zu befreien. Doch plötzlich löste der andere den Würgegriff, und dieselben Hände, die ihn zuvor noch gewürgt hatten, stießen ihn
weg. Als der Mönch sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, war der Fremde verschwunden.
Zitternd lehnte sich der Franziskaner gegen das Mauerwerk, drückte sich fest dagegen in der Hoffnung, dass ihn niemand bemerken würde, weil er die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte.
»Was habe ich getan?«, schluchzte er in die Hände, mit denen er sein Gesicht verdeckte. Als der Wind den Geruch von verbranntem Fleisch zu ihm herüberwehte, verließ er hastig den Marktplatz. Er lief an den Hausmauern entlang, ohne zu wissen, wohin. Durch die engen Gassen, die ihn wie ein Labyrinth in die Irre führten, stand er plötzlich vor der Kirche des Ortes. Erleichtert ging er hinein. Angenehme Kühle umfing ihn. Er tauchte seine Fingerspitzen in das Weihwasser und bekreuzigte sich. Mit leisen Schritten ging er auf den Altar zu. Burghard war froh, dass niemand sonst in dem Gotteshaus war. Er kniete nieder und faltete seine Hände. Dann sah er zum Kreuz, das über dem Altar hing, und betete. Nicht für sich, sondern für die Seele der jungen Frau und ihres ungeborenen Kindes.
»Ich habe es nicht gewusst, das schwöre ich! Nie und nimmer hätte ich tatenlos zugesehen … nie und nimmer!«, flüsterte er so leise, dass nur er es verstand. Im Gebet versunken, merkte er nicht, dass jemand an seine Seite getreten war. Als sich eine Hand auf seine Schulter legte, zuckte er zusammen. Burghard schaute in die fragenden Augen seines älteren Mitbruders Servatius. Er richtete sich auf in dem Gefühl, dass Servatius seine Gedanken und seine Zweifel erahnte.
»Unser Werk ist vollbracht, Bruder. Lasst uns weiterziehen, um die Teufelsbrut zu vernichten.«
Servatius und Burghard konnten unterschiedlicher nicht sein. Fast täglich bedauerte der junge Mönch, dass er dem älteren unterstellt war. Gemeinsam auf Wanderschaft, waren sie von
Ort zu Ort gezogen, um den Menschen vom heiligen Franz von Assisi zu erzählen. Doch seitdem Servatius von angeblichen Hexen erfahren hatte, schien er es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, alle bösen Menschen auf den Scheiterhaufen zu bringen. So waren Burghards Vorstellungen von der Wanderschaft eines Mönchs jäh zerstört worden. Er hasste es, gezwungen zu sein, die Qual der verurteilten Frauen miterleben zu müssen, doch traute er sich nicht, das laut auszusprechen.
Deshalb nickte Burghard jetzt nur stumm und ging mit dem Franziskaner hinaus ins gleißende Sonnenlicht. Er blinzelte, als er aus dem Dunkel der Kirche ins Freie trat. Die Wolke war verschwunden. Ein strahlend blauer Himmel vermittelte ein Gefühl des Friedens und verriet nichts von dem Grauen, das sich hier soeben ereignet hatte.
Kapitel 5
Wilhelm Münzbacher gefiel es, wenn die Frau, mit der er schlief, ihre Geilheit hinausschrie und nicht so prüde war wie sein eigenes Weib. Anna fühlte sich an wie ein steifes Stück Holz, wenn er seine ehelichen Freuden einforderte. Auch war nie ein Laut des Wohlgefallens über ihre Lippen gekommen. Gewiss, man hätte es ihrer Unerfahrenheit zusprechen können, dass sie nicht wusste, was einem Mann gefiel. Vergeblich hatte Münzbacher gehofft, dass Anna schnell lernen würde. Doch schon nach wenigen Malen war ihm der Verdacht gekommen, dass seine junge Frau wohl nie Lust empfinden würde. Und da er sich seine Lust nicht nehmen lassen wollte, hatte er sich von Anna zurückgezogen und sie nicht mehr angerührt. Er teilte seinen Spaß lieber mit erfahrenen Frauen – mit solchen, die wussten, was einem Mann gefiel. Auch war ihm Anna zu dünn, zu zerbrechlich. Ihr
fehlten die Rundungen, die er anpacken konnte und die ihn sofort erregten.
Münzbacher beschlief am liebsten Marga, die dralle Wäscherin von Bauer Motte. Schon seit mehreren Monaten trieb er es nur mit ihr. Denn
Weitere Kostenlose Bücher