Das Hexenmal: Roman (German Edition)
Stillen.
Als Münzbacher wieder im Gestüt erschien, kamen ihm Clemens und der alte Knecht Heinrich entgegen. Sogleich flackerte die unterdrückte Wut in ihm auf, und er fuhr die beiden schroff an: »Habt ihr nichts zu tun?«
Clemens presste die Lippen zusammen, um nicht ebenso ruppig zu antworten. Heinrich senkte seinen Blick, grüßte leise und ging in die Schmiede.
Als der Knecht außer Hörweite war, sagte Clemens zu seinem Schwager: »Du lernst wohl nie, was Höflichkeit und Anstand bedeuten.«
Ironisch sahen dunkelbraune Augen den jungen Mann an.
»Komm mir nicht so, du Dummschwätzer. Hilf mir stattdessen, die Pferde umzutreiben. Schließlich willst du essen und trinken. Also verdiene es dir.«
»Jetzt reicht es, Wilhelm. Dies ist der Hof meiner Eltern. Ich bin hier geboren …«
»Das stimmt nicht ganz, mein lieber Schwager. Ich habe keine Lust, mich dauernd zu wiederholen, doch das war der Hof deiner Eltern. Nun gehört er mir. Aber du kannst gehen, wohin du willst. Sofort, wenn es sein muss.«
»Das würde dir so passen!«
Wieder musterte Münzbacher ihn ungerührt.
»Ja, das würde mir sogar sehr gut passen!«
Mit diesen Worten wollte er den jungen Mann stehen lassen, doch Clemens hinderte ihn daran.
»Ich schwöre dir, dass ich die erstbeste Frau heiraten werde, die mir über den Weg läuft, wenn du mich nicht endlich in Ruhe lässt. Dann bekomme ich die Hälfte von dem hier.« Clemens zeigte auf die ringsum stehenden Gebäude.
Der junge Arnold sah, wie der Schwager die Fäuste ballte. Doch dann blickte er ihn nur kalt lächelnd an und verließ mit schnellen Schritten den Hof in Richtung Koppel.
Clemens verspürte Genugtuung und ging ins Haus, wo er ein kleines Zimmer bewohnte. Dort ließ er sich auf sein Nachtlager fallen, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und hoffte, dass er seine Drohung nicht wahr machen musste.
Kapitel 6
Es war bereits kurz vor Mittag, als Johann sich von Franziska verabschiedete. Um Fragen zu vermeiden, nahmen sie unterschiedliche Wege zurück zum Hof nach Hundeshagen.
Die Familie saß wartend im Speisezimmer zu Tisch, als Johann mit raschen Schritten hereinstürmte. Das Esszimmer wurde nur an Sonn- und Festtagen genutzt. Dann lag, so wie heute, auf dem groben Holztisch die helle Leinendecke, die Johanns Mutter in der Mitte mit Blumenranken bestickt hatte. Als der junge Mann Platz nahm, servierte Theresa, das Küchenlehrmädchen, sofort die Vorspeise. Zwar war die klare Rinderbrühe in grobe Steingutschalen gefüllt worden, doch der sonntägliche Braten würde von den Silbertellern verspeist und die Beilagen in Silberschalen serviert werden. Dieses silberne Geschirr war der Stolz der Mutter, denn es war ihre Aussteuer und Zeugnis dafür, dass sie aus wohlhabendem Haus stammte.
Sonntags war es für die Familie selbstverständlich, dass man seine besten Kleider trug. Doch heute musterte die Mutter den Sohn kopfschüttelnd. Johann trug eine ausgeblichene und verfleckte Alltagshose und ein weites Arbeitshemd. Der Sohn erwartete ein Donnerwetter, doch zu seiner Verwunderung schwieg sie dazu. Sogar, als ihr Blick von den Haaren über sein Gesicht wanderte. Leise seufzend holte sie nur Luft und schüttelt wieder das Haupt, um dann schweigend ihre Suppe zu löffeln. Da Johann die letzten Meter zum elterlichen Hof im Laufschritt zurückgelegt hatte, war er verschwitzt, und seine Stirn glänzte feucht. Die aschblonden Haare kringelten sich dort, wo sie die nasse Haut berührten. Sichtlich unwohl wischte er sich die schmutzigen Hände unter dem Tischtuch an seinen Hosenbeinen ab.
»Wir haben dich in der Kirche nicht gesehen«, sagte nun der Vater, während er die Fleischbrühe schlürfte.
Johann bekam rote Ohren und sah starr in die Suppenschüssel mit der klaren Brühe, auf der etwas Grünes schwamm. Er wartete auf eine Moralpredigt, doch sein Vater lachte laut auf. Als der Junge zu ihm aufsah, lächelte der Hausherr wissend und zwinkerte seinem Sohn zu. Johann war irritiert.
»Wo warst du?«, fragte nun seine jüngere Schwester Karoline. Johann versuchte ihr Zeichen zu geben, ruhig zu sein, doch sie schien diese absichtlich zu übersehen. Bei ihrer Frage lachte der Vater noch eine Spur lauter, und Johann spürte, wie Röte sein Gesicht überzog.
Zum Glück wurde das benutzte Geschirr abgeräumt, und Johann hoffte, so eine Antwort schuldig bleiben zu können. Doch es war Franziska, die den Braten servierte. Erschrocken sah Johann zu seinem Vater, der sich
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