Das Hexenmal: Roman (German Edition)
Hexengerede glaube ich kein Wort.«
»Sehr tröstlich«, unterbrach sie ihn, »aber deine Meinung zählt nicht. Ich glaube, dass es das Beste wäre, wenn ich weiterziehen würde. Wer weiß, was diese Lügnerin Berta als Nächstes aushecken wird. Sie hat deine Schwester als Verbündete, damit auch alles deinen Eltern zugetragen wird.«
»Jetzt sei nicht böse, Franziska, Karoline ist ein junges Mädchen, das irgendetwas nachplappert …«
»Nur dass das, was deine kleine Schwester nachplappert, wie du es harmlos nennst, mich auf den Scheiterhaufen bringen kann. Oder hast du noch nicht gehört, dass nur wenige Orte von hier eine Frau verbrannt worden ist, weil eine Nachbarin sie des Schadenszaubers bezichtigt hat.«
»Doch, das habe ich heute Morgen gehört und konnte es nicht fassen.«
»Was konntest du nicht fassen?«
»Dass Menschen so etwas glauben und andere verraten.«
»Ja, die Dummheit der Menschen ist grenzenlos, aber auch ihre Angst.«
Scheinbar unzählige Minuten des Schweigens vergingen.
»Franziska, ich liebe dich …«, flüsterte der junge Mann unbeholfen und sah sie schüchtern an. Wieder holte das Mädchen tief Luft.
»Ja, ich weiß, Johann, und auch ich liebe dich. Deshalb möchte ich nicht von hier fort.«
Erschrocken sah Johann Franziska an. Zum ersten Mal hatte sie ausgesprochen, wovon er in unzähligen schlaflosen Nächten geträumt hatte, und doch wusste er nun nichts darauf zu antworten.
Unbeholfen nahm Johann das Mädchen in die Arme und küsste behutsam seine Lippen. Zärtlich strich er ihm die Haare aus der Stirn.
»Mach dir keine Sorgen. Ich werde mit meinen Eltern über uns sprechen und ihnen sagen, dass ich dich heiraten will. Aber erst möchte ich Rat bei meinem Onkel holen. Ich werde noch heute Abend nach dem Gottesdienst zu ihm gehen. Er wird uns sicher helfen.«
Glücklich schmiegte sich das Mädchen in Johanns Arme. Franziska war nun leicht ums Herz. Noch ahnte sie nicht, welche Prüfungen das Leben für sie bereithalten sollte.
Kapitel 7
»Anna, ich kann nichts Besorgniserregendes feststellen. Du hast weder Fieber noch Ausschlag noch sonst irgendetwas, was man als Krankheit bezeichnen könnte.«
»Das verstehe ich nicht. Warum versagt mir dann die Stimme, Doktor?«, fragte Anna und setzte sich in ihrem Bett auf. Den Titel hatte sie mehr neckend gesagt, denn sie kannte den jungen Mann, so lange sie denken konnte. Er war vier Jahre älter als sie und der Sohn eines Freundes ihres Vaters. Friedrich Schildknecht hatte vor einem Jahr in der Ferne das Medizinstudium beendet und war danach in sein Heimatstädtchen zurückgekehrt. Da waren Annas Eltern bereits begraben und sie mit Wilhelm Münzbacher verheiratet gewesen.
Der junge Arzt war damals wie vor den Kopf gestoßen, als er davon erfuhr. Seinem Vater machte er heftige Vorwürfe, dass er Anna nicht von dieser Hochzeit abgehalten hatte. Doch der Vater wies alle Vorhaltungen zurück, da er seine Bedenken sehr wohl deutlich geäußert hatte. Wie viele andere auch, fand der alte Schildknecht diese Heirat überstürzt und riet Anna, ihre Pläne zu überdenken und wenigstens die Trauerzeit abzuwarten. Doch das Mädchen hatte die gut gemeinten Ratschläge nicht beachtet.
Alle Hoffnungen des jungen Schildknecht waren über Nacht zerbrochen. Inbrünstig hatte Friedrich gehofft, Annas Herz zu gewinnen, sobald er ein angesehener Arzt war. Schon, als sie noch Ritter und Burgfräulein gespielt hatten, versprach er, sie zu heiraten. Das Mädchen hatte stets lachend geantwortet, dass er ihr erst eine Drachenschuppe bringen müsse, dann würde sie in die Heirat einwilligen. Und Friedrich hatte freudig geantwortet, dass sie ihm dafür am Tag der Hochzeit ein selbst komponiertes Lied singen müsse. Er war von jeher fasziniert gewesen von ihrer Stimme, wenn sie Kinderlieder und später alte Weisen für ihn sang. Nun war er in großer Sorge, denn ihre Stimme hatte sich sehr verändert.
Wehmütig erinnerte sich Friedrich an die Zeit, als sich ihre Wege getrennt hatten. Die Tradition im Hause Schildknecht verlangte, dass auch er Arzt werden sollte, weshalb er schon im
Alter von vierzehn Jahren von zu Hause fort nach Sachsen zog. Dort ging er bei seinem Onkel, einem Apotheker, in die Lehre, um von ihm alles über Chemie und andere Naturwissenschaften zu erfahren. Wegen der Entfernung und des zeitaufwendigen Lernens kam Friedrich nur noch selten nach Hause.
Nach der Lehrzeit begann er in Leipzig das Studium der Medizin und besuchte
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