Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Titel: Das Hexenmal: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
Vom Netzwerk:
war und Ross und Reiter fast verschluckte. Auf dem Weg angekommen, der Lambrecht jetzt direkt nach Duderstadt führen würde, war das Fortkommen für beide leichter.
    Schon Minuten später konnte er rechts die Dächer von Wehnde und links auf einer kleinen Anhöhe den Turm der Wehnder Warte erkennen. Erneut trieb er das Pferd zur Eile an. Krähen zogen bei der Wüstung Kamp ihre Kreise am Himmel. Als er dichter an der langsam verfallenden Wasserburg vorbeiritt, konnte er ein verendetes Reh im Graben erkennen, über das sich bereits einige der schwarzen Aasfresser hergemacht hatten.
     
    Auf dem Eichsfeld gab es viele solcher Wüstungen, die aus verlassenen Gehöften, einzelnen Häusern oder Ansiedlungen bestanden. Aus den unterschiedlichsten Gründen waren diese
im Laufe der Jahre verlassen worden. Oft, weil es hier zu gefährlich war, allein zu leben. Eine Verteidigung gegen Überfälle war ohne Unterstützung meist aussichtslos. Manchmal gingen die Bewohner auch fort, weil das Wasser versiegt war oder der Boden nicht genug Ertrag abwarf. Einige Wüstungen waren verlassen worden, weil die Pest dort gewütet hatte, und andere, weil die ursprünglichen Bewohner verstorben waren und ihre Nachkommen nicht in der Einöde leben wollten.
     
    Es begann leicht zu nieseln, als Lambrecht an dem trostlosen Dorf Eidingerode im Tal der Brehme vorbeiritt. Schemenhaft sah er die unbewohnten Häuser rechts neben sich liegen.
    Der alte Weg, der auch als Poststraße genutzt worden war, war an diesem Teil der Strecke in sehr schlechtem Zustand, was Lambrecht aber jetzt nicht weiter störte. Da er befürchtete, sein Ross könne sich zu sehr verausgaben und würde für den Heimweg keine Kraft mehr haben, ließ er es einige Zeit Schritt gehen.
    Kurz darauf lag Duderstadt vor ihm. Wieder trat er dem Rappen in die Flanken, woraufhin das Pferd laut wieherte. So schnell es konnte, galoppierte es auf die Stadt zu. Trafen Huf und Stein aufeinander, flogen die Funken. Erst als Lambrecht die ersten Häuser außerhalb der Stadtmauern von Duderstadt erreicht hatte, zog er sachte an den Zügeln, damit sein Ross wieder langsamer wurde.
    Endlich war er am Obertor angelangt. Von dort war es nicht mehr weit zum Haus der Familie Hesse. Ross und Reiter sehnten sich nach einem schützenden Dach, denn das Nieseln war inzwischen in heftigen Regen übergegangen. In leichtem Trab führte Lambrecht den Wallach an der Sankt-Cyriakus-Kirche vorbei. Selbst der Stadtwächter, der hoch im Turm der Kirche die umliegenden Bergwarten überwachte, ließ sich bei diesem Wetter nicht blicken. Selten gab es für den Türmer etwas Interessantes
in der Ferne zu beobachten, weswegen er des Öfteren neugierig aus seinem Fenster hinunter auf den Markt lugte, um zu schauen, wer dort unten einherging. Doch wegen des schlechten Wetters war heute nichts von ihm zu sehen. Vorbei am alten Rathaus folgte Lambrecht dem offenen Wasserlauf der Brehme. Bevor er an der Servatiuskirche nach rechts zum Haus seines Freundes abbog, erkannte er den Ausrufer und hörte, wie er durch die Straßen rief: »Heute wird bekannt gemacht, dass niemand in die Brehme macht, denn morgen wird gebraut.«
    Lambrecht konnte beobachten, wie mehrere Burschen die große, schwere Braupfanne durch das Tor des Bierbrauers Reingans hievten.
    Lächelnd verfolgte Lambrecht die Bemühungen der jungen Männer, die Braupfanne zuerst gerade und dann, als das nicht ging, sie schräg durch die Tür zu tragen.
     
    Über dreihundert Familien hatten in Duderstadt das Braurecht und stellten das dunkle, starke Bier her, das über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war. Jeder konnte die Genehmigung zum Bierbrauen erwerben, allerdings musste er außer dem nötigen Kleingeld auch eine Tür haben, durch die die große Braupfanne passte, denn die wurde nach jedem Braugang an die nächste Familie weitergereicht.
     
    Kaum hatte Lambrecht den schwarzen Wallach im Stall abgegeben, da brach der Regen so stark los, dass er sich im Laufschritt zur Haustür begab, um nicht völlig durchnässt zu werden.
    Erfreut hießen ihn die Hesses willkommen und wollten die Geschichte kaum glauben, die er ihnen vortrug. Frau Hesse war richtiggehend aufgebracht und fragte den Pfarrer: »Glaubt Ihr wirklich, dass Euer Schwager es so weit treiben wird? Ich kenne Franziska erst seit wenigen Stunden, und doch ist sie mir schon
ans Herz gewachsen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand ihre Unschuld anzweifeln kann.« Ihr Gatte nickte zustimmend. Doch

Weitere Kostenlose Bücher