Das Hexenrätsel
hatte. Gaby schaute in das bleich gewordenen Gesicht und sah die gebrochenen Augen. Starr blickten sie gegen die Decke. Sie hatte immer gehört, daß man Toten die Augen schließen sollte. Das tat sie auch und drückte ihrer Freundin die Augen zu.
Es war ein letzter Dienst, mehr konnte sie nicht für Birgit Lachmann tun. Dabei kniete sie neben der Leiche. Ihre Hände fanden zueinander. Gaby wollte ein Gebet sprechen, doch dagegen hatte der Geist etwas.
»Laß es!« zischte er.
Gaby erschrak Sie schaute sich um. Ihr Blick traf die Schwertklinge, und abermals sah sie dort schwach das Gesicht des Unheimlichen abgebildet! Er starrte sie an, die Lippen bewegten sich kaum sichtbar, aber seine Stimme schien von allen Seiten auf die kniende Gaby einzuströmen.
»Ich will keine Gebete hören. Gebete sind Gift! Hast du mich verstanden?«
»Ja!« hauchte das Mädchen. Sie löste die Hände wieder, denn sie wußte, daß der andere stärker war.
Und sie begann damit, über ihr Schicksal nachzudenken. Dabei stellte sie fest, daß sie ein normales Leben nicht mehr führen konnte. Sie hatte sich in die Abhängigkeit eines schrecklichen Dämons begeben, war jetzt seine Dienerin und mußte alles tun, was der andere verlangte. Denn er war der führende Geist, der sie gnadenlos unter seine Knute zwang.
Was sollte sie jetzt tun?
Man würde die Tote entdecken, und man würde feststellen, wie sie ums Leben gekommen war. Von dieser Tatsache aus war es kein weiter Sprung mehr bis zu ihr, denn man würde ihr auf die Schliche kommen, egal, was auch geschah.
Mörderin!
Ein Wort nur, aber es sagte alles. Schuldgefühle überkamen sie. Gaby Schreiber konnte den Anblick der Toten nicht mehr ertragen. Sie drehte den Kopf zur Seite und schluchzte auf.
Als sie zu ihrem Bett ging flatterte sie am ganzen Körper. Angst und Grauen preßten ihr Herz zusammen. Es fiel ihr schwer, Luft zu holen. Das Bett tanzte vor ihren Augen. Sie mußte sich am Schrank abstützen und preßte dabei ihre heiße Stirn gegen das Holz, während weiterhin Tränen aus ihren Augen rannen.
Was sollte sie tun?
Sie selbst konnte nichts machen. Da war ein anderer, der sie führte und ihr Befehle gab. Ihm mußte sie jetzt Tribut zollen, und seine Stimme hörte sie abermals.
»Ich habe dich in den letzten Minuten in Ruhe gelassen Nun aber wird es Zeit, daß du etwas unternimmst.«
Gaby drückte sich vom Schrank ab. »Nein!« keuchte sie. »Ich will es aber nicht…«
»Du kannst nicht mehr zurück!« erklärte ihr die Stimme hohnlachend.
»Wer einmal in die Dienste eines Baldur von der Lenne getreten ist, kann nicht mehr heraus. Das solltest du wissen. Es sein denn, ich entlasse ihn aus meinen Diensten, dann aber endet dies zumeist mit dem Tod meines Dieners.«
»Dann bring mich doch um!« schrie Gaby. »Verdammt, tu es!«
»Das möchtest du wohl, wie? Nein, so weit sind wir noch nicht. Ich töte dich nicht, denn du bist eine Auserwählte. Du wirst das weiterführen, was ich aufgebaut habe. Hast du mich verstanden?«
»Das habe ich!«
»Und wirst du mir folgen?«
»Was bleibt mir übrig? Nichts, ich weiß!«
»Gut, daß du es einsiehst.« Die Stimme setzte noch ein leises Lachen hinterher. »Nun zu etwas anderem. Es ist klar, daß du nicht hierbleiben kannst, meine Liebe. Du wirst also aus dem Zimmer verschwinden und das Schwert mitnehmen.«
»Wohin soll ich gehen?« hauchte Gaby.
»In die Wälder, denn ich spüre, daß Gefahr auf uns zukommt. Du wirst auf die Männer lauern, die dir das Schwert wegnehmen wollen, und du wirst sie töten.«
»Welche Männer sind das?«
»Fremde. Du kennst sie nicht. Sie kommen aus einem anderen Land, aber sie wollen das Schwert, denn da gibt es noch jemand, der seine heilenden Kräfte genau erkannt hat. Mit dieser Klinge kann man nicht nur töten, sondern auch heilen Sie enthält viele Geheimnisse, die nach und nach gelüftet werden Nimm es jetzt und geh. Sollte etwas passieren, wird sich das Schwert schon darum kümmern, dessen kannst du sicher sein. Klar?«
»Ja, ich habe verstanden!« Gaby kam sich vor wie in einem Traum. Alles, was sie tat, geschah automatisch. Sie bückte sich, hob die Waffe hoch und nahm sie an sich.
Jetzt wunderte sie sich, wie leicht das Schwert war. Sie brauchte längst nicht die Kraft aufzuwenden wie in der Höhle, als Birgit und sie das Schwert gefunden harten. Es schien für sie angefertigt zu sein.
»Ja, es steht dir gut«, sagte von der Lenne. »Du wirst es führen können, als hätte es sich
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