Das Hexenschiff
bekommen und auf dem Schiff verbrennen. Alle anderen ja, ihn nicht, dafür trug er Sorge.
Die Schlinge saß!
Sicherheitshalber überprüfte er den Sitz noch einmal, denn er wollte nicht unbedingt herausrutschen.
Sein Blick war auf die Tür gerichtet. Dort würden die Hexen erscheinen. Sollten sie, er…
Ein hartes, heftiges und forderndes Klopfen unterbrach seine Gedanken. Zuerst erschrak er, denn damit hatte er nicht mehr gerechnet. Eigentlich hatte er jetzt vom Tisch springen müssen, seltsamerweise fand er den Mut nicht mehr, sondern lauschte auf die Schläge, deren Echos durch die Gastwirtschaft schwangen.
»Ihr kriegt mich nicht!« krächzte er. »Nein, verdammt, ihr werdet mich nicht erwischen.«
»Öffne!« Es war eine dumpfe Stimme, obwohl sie einer Frau gehörte.
»Neiiinn!« Eigentlich hätte er schon springen müssen. Es wunderte ihn selbst, daß er sich auf eine Diskussion mit diesen verfluchten Wesen draußen einließ.
»Dann hole ich dich!«
»Tu es doch!«
»Du weißt, daß die Zeit der Rache da ist. Niemand kann ihr entgehen. Auch du nicht, Mann. Deine Vorfahren haben uns Hexen töten wollen. Jetzt mußt du zahlen.«
»Ich nicht!«
In sein letztes Wort fiel abermals ein Schlag. Es war der, der auch die Tür öffnete. Die Hexe erschien. Da sprang der Wirt vom Tisch!
***
Mit einer sirrenden Bewegung straffte sich das Seil — und riß!
Der Mann landete auf dem Boden. Er hörte noch den dumpfen Aufschlag und glaubte für einen Moment, es geschafft zu haben, als er den klatschenden Schlag in den Nacken bekam. Das nachfallende Seilstück hatte ihn getroffen und ihm klargemacht, daß er weder in der Hölle noch im Himmel gelandet war. Hugol lag auf dem Fußboden seiner eigenen Gaststätte. Mit der Schlinge um den Hals, nur war der Strick über ihm gerissen.
Eine Erklärung hatte er nicht. Er konnte es nur den Hexenkräften zuschreiben. Und damit lag er nicht falsch. Die Hexe hatte tatsächlich dafür gesorgt, daß der Strick riß, denn sie wollte auf keinen Teil der großen Rache verzichten. Nur mühsam überwand der Wirt seine Enttäuschung. Jetzt, wo er praktisch ins Leben zurückgeholt worden war, wollte er es nicht mehr. Es widerte ihn an, er hatte sich alles vorgestellt, hatte seine Frau wiedersehen sollen, und nun war jemand gekommen, der ihn brutal auf den Boden der Tatsachen zurückriß und seine Träume zerschmetterte. Er spürte unter seinen Handflächen den Schmutz des Bodens, hob nur allmählich den Kopf und sah nicht weit entfernt die Gestalt der Hexe. Das war keine Haut mehr, das waren nur Fetzen! Lappige Stücke, zwar zusammengehalten, aber dünn wie Papier. Umrahmt von den strähnigen, blassen Haaren, dann die Klauen, die einmal Hände gewesen waren und jetzt dünn und knöchern wirkten. Ein abstoßendes Bild!
»Nun?« Die Hexe sagte nur dieses eine Wort. Gleichzeitig griff sie zu einem Gegenstand, den sie neben sich hatte. Es war ein Ruder aus Holz.
»Was… was willst du noch?« brachte der Wirt mühsam hervor. »Sage es endlich! Was willst du?«
»Steh auf!«
»Und dann?«
»Ich bin gekommen, um dich zu holen. Meine Schwestern und ich sind unterwegs. Wir holen euch, wir holen alle. Niemand darf unserer Rache entkommen, und niemand wird ihr entkommen. Hast du verstanden?«
»Ja.«
»Dann steh auf!«
Plötzlich regte sich Widerstandswille in dem Mann.
»Ich will aber nicht mehr. Nein, ich kann nicht. Ich möchte bei meiner Frau sein und will sterben.«
»Den Zeitpunkt bestimme ich. Steh jetzt auf!«
»Neiiin!« Hugol brüllte der Hexe das eine Wort entgegen, und sie setzte ihre Kräfte ein.
Im nächsten Augenblick wußte der Wirt nicht, wie ihm geschah. Er wollte nicht, er mußte. Da waren auf einmal unsichtbare Hände, die sich an seinem Körper zu schaffen machten. Sie zogen ihn hoch, sie zerrten und rissen, so daß er sich wie eine Marionette vorkam. Seine Arme pendelten in der Luft, sie schlugen nach oben und unten, aber Halt bekam er keinen.
Quer durch das Lokal wurde er geschleudert. Er schrie, als er gegen einen Tisch prallte und diesen mit umriß. Kaum lag er auf den Bohlen, als ihn die Kraft abermals packte und in die Höhe wuchtete, wobei er um die eigene Achse gedreht wurde, bis er gegen eine Wand krachte und dort stehenblieb wie festgenagelt.
»Willst du dich noch immer weigern?« fragte die Hexe, als sie allmählich näher kam.
»Ja!«
Sie lächelte nur. Beirren ließ sie sich nicht. Eine Armlänge vor dem Mann verhielt sie ihren Schritt,
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