Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
kritisieren. Wir können sogar ein komplettes Steuersystem für Unfug halten. Und wir sollten unsere Kritik daran sowie unsere Gegenvorschläge auch öffentlich zur Diskussion stellen. Gleichwohl müssen wir Steuern zahlen.
Nicht anders ist es in einem Unternehmen. Geschäftsführung und Führungskräfte sind gut beraten, wenn sie alle Mitarbeiter ermutigen, neue Ideen vorzubringen. Wo jemand unzufrieden ist, wo etwas schlecht oder gar nicht funktioniert, soll erdas unumwunden kritisieren können. Und zwar in der Form so höflich wie möglich, in der Sache so hart wie nötig. Es ist immer gut Änderungsvorschläge zu machen. Selbst wenn diese Vorschläge weniger gut sind. Gewiss, Offenheit für Ideen und Kritik ist nicht immer bequem. Manchmal kritisieren Menschen eben auch Bewährtes und schlagen Unsinniges vor. Aber es ist hier wie mit der Meinungsfreiheit im Allgemeinen: Wo nur gerechtfertigte Kritik, plausible Ideen und ausgereifte Konzepte erwünscht sind, da wird aus lauter Sorge, etwas Falsches zu sagen, bald keiner mehr etwas sagen.
Nicht wenige Führungskräfte fürchten, dass Dauerpalaver und ständige Quertreiberei den Betrieb aufhalten würden, wenn Debatten nicht „von oben“ unterbunden oder zumindest abgekürzt werden. Dabei ist es nach meiner Erfahrung gerade umgekehrt: In Unternehmen, in denen eine offene und vernünftige Diskussionskultur herrscht, haben echte Querulanten und Quatschköpfe eher schlechte Karten. Wogegen sich diffuse Unzufriedenheit und vergiftete Stimmung besonders dort verbreiten, wo Ruhe erste Mitarbeiterpflicht ist.
Ein Wirtschaftsunternehmen ist sicher kein Debattierclub. Es muss in erster Linie Güter herstellen oder Dienstleistungen anbieten – und Geld verdienen. Nur: Wer aus Erfahrung weiß, dass Kritik und Ideen bei Vorgesetzten nicht per se auf taube Ohren stoßen, der hat auch mehr Freude bei der Arbeit. Wo sie die Hand heben dürfen, da packen die Leute beherzter an. Wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Mund aufmachen dürfen, geht auch vieles leichter auf Zuruf. Und wo neue Ideen willkommen sind, läuft das eingefahrene Alltagsgeschäft besser.
Meinen, Wissen, Glauben
Der Mensch hat ein grundlegendes Bedürfnis nach Freiheit. Er will selbst entscheiden und eigenverantwortlich handeln. Bei manchen ist dieses Bedürfnis stärker ausgeprägt, bei anderen weniger stark. Außerdem erstreckt sich der Freiheitsdrangbei verschiedenen Menschen auf ganz unterschiedliche Gebiete. Manche wollen in jedem Lebensbereich selbst gesteckte Ziele verwirklichen: im Beruf, im Familienleben, in ihrer Freizeit, im Rahmen politischen, sozialen oder künstlerischen Engagements. Andere denken: Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Sie machen ihre Arbeit eher pflichtgemäß und ohne größere Ambitionen, verwirklichen sich dafür aber in einem Hobby oder im Sport. Ein Eigenbrötler ist schon froh, wenn er in seinem unmittelbaren Wirkungskreis in Ruhe walten kann. Der Teamspieler leistet auf seiner Position Hervorragendes, hat aber kein übermäßiges Interesse, auch bei Strategie und Mannschaftsaufstellung ein Wörtchen mitzureden.
Aber dann gibt es eben auch Menschen, die von dem Wunsch getrieben sind, ihre Umgebung zu prägen, andere für ihre Pläne einzuspannen, vielleicht gar etwas Bleibendes zu hinterlassen. Menschen, die wollen, dass ihre ureigenen Ideen Wirklichkeit werden, die aber zugleich wissen, dass sie das nur gemeinsam mit anderen erreichen können. Im besten Falle sind diese Menschen aufrichtig von ihrer Vision überzeugt – und schaffen es, andere als Mitstreiter einzubinden und zu motivieren. Im schlimmsten Fall schieben sie eine Sache nur vor, um ihr Geltungsbedürfnis oder ihre Freude am Beherrschen anderer auszuleben. Zum Glück erkennen die meisten Menschen diesen Unterschied recht rasch.
Was wir uns schließlich nicht oft genug vor Augen führen können: Die einen haben vernünftige Ideen, abgewogene Meinungen, maßvolle und realistische Ziele. Andere hängen mit Inbrunst völlig aberwitzigen Ideen oder verbohrten Ideologien an, vertreten extreme Ansichten und verfolgen illusorische Pläne. Mit Betonköpfen und Traumtänzern ist sicher nicht leicht auszukommen, aber mit etwas Gelassenheit sind sie zu ertragen. Bloß weil es auch saure Weine gibt, stellen wir den Weinbau schließlich nicht ein. Ebenso wenig wie wir jeden Unsinn sofort unterschreiben müssen, wenn wir abweichende Meinungen zulassen und Kritik ermutigen.
Schwierig wird es, wenn wir uns
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