Das Hiroshima-Tor
ab oder wenigstens über einer kleineren Stadt?
Warum brachten sie Zivilisten um?
Bald traf ich auf schweigsame Männer, die aus Tokio gekommen waren, Physiker mit
Lauritsen
-
Elektroskop und
Neher
-Elektrometer
. Mein Interesse für die Messgeräte war groß, ich versuchte wohl intuitiv meinem Gehirn eine vernünftige Beschäftigung zu
geben.
Drei Tage später, am 9. August um 11.02 Uhr, wurde eine zweite Atombombe auf Nagasaki abgeworfen – diesmal eine Plutoniumbombe, damit man Aufschluss über die wissenschaftlichen
Unterschiede erhielt.
Dieser helle Augenblick in Hiroshima entschied über meine Laufbahn. Ich wollte mit aller Macht wissen, was geschehen war –
nicht zwischen Staatschefs und Generälen an den Verhandlungstischen der Weltpolitik, sondern in der Eisenhülle, die von der
Besatzung der
Enola Gay
über der Stadt abgeworfen worden war. Ich wollte bis in alle Einzelheiten herausfinden, was es für eine unfassbare Energie
war, die das menschliche Genie aus dem Kern eines Stoffes pressen konnte und die das Böse im Menschen benutzte, um seine Nächsten
zu töten.
|363| Timo blickte von den Papieren auf. Die Autobahn führte bei Annemasse durch tief liegende Felder. Aus dem Radio rieselte ein
langsamer Chanson.
Das eben Gelesene über den von Menschen verursachten Wahnsinn ließ Timo das Ganze noch einmal aus der Perspektive von Zeromskis
Theorien sehen. Wie würden Fremde das Handeln der Erdbewohner betrachten? Wie wirkte das, wenn zweibeinige, mit Händen und
Verstand ausgestattete Wesen eine Methode nach der anderen erfanden, um sich gegenseitig noch effektiver umzubringen? Was
machte es wohl für einen Eindruck, wenn innerhalb eines Augenblicks eine Stadt mit einer Viertelmillion Einwohner in die Luft
gesprengt wurde? Wenn die reichsten Gemeinschaften des Planeten ihre intelligentesten Mitglieder einspannten, immer effizientere
Waffen zum Töten ihrer Artgenossen zu entwickeln?
Etwas brannte in Timo, ein neuer Gedanke, den er bislang nicht hatte fassen können. Nishikawas persönliche Geschichte verlieh
der gesamten Situation einen neuen Zug – einen, der Timo noch mehr beunruhigte.
|364| 47
Das Dröhnen des landenden Hubschraubers über der Placa d’Eusebi Guell im Stadtteil Pedralbes wurde stärker. Im hellen Licht
des Landescheinwerfers tanzte der aufgewirbelte Staub.
Sobald der
Sikorsky
den Asphalt berührte, ging die Seitentür auf, und der CI A-Beamte Sean Todd stieg aus. Er half der aus Annecy eingeflogenen finnischen Physikerin heraus. Sie wurde direkt zu einem BM W-Geländewagen geführt, der am Straßenrand parkte.
Der Helikopter stieg sofort wieder in die Luft auf, und das Auto setzte sich in Bewegung. Es fuhr wenige Straßen weiter, in
die Carrer dels Cavallers, zu einem Haus, das auf einem dicht bewachsenen, parkähnlichen Grundstück stand.
Novak nahm die Frau höflich in Empfang, forderte sie auf, sich zu setzen und bot ihr Wasser an.
»Warum interessieren Sie sich für Yoshima Nishikawa, Frau Doktor Nortamo?«, fragte er.
Soile dachte fieberhaft nach. Sollte sie die Wahrheit sagen? Mein Mann hat mich gebeten, nach Informationen zu suchen? Das
erschien ihr falsch, aber was könnte sie sonst antworten? War es denn richtig, dass Timo sie in so etwas hineingezogen hatte?
»Wer sind Sie? Ich will sofort hier raus ...«
Der Mann schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht.
»Warum interessieren Sie sich für Yoshima Nishikawa, Frau Nortamo?«, wiederholte er. Sein kühler, höflicher Tonfall stand
in beängstigendem Widerspruch zu dem Schlag.
Soile räusperte sich. Sie spürte den Geschmack von Blut im |365| Mund. »Mein Mann bat mich um die Informationen. Mehr weiß ich nicht.«
»Nein?«, fragte der Amerikaner spöttisch. Er nahm etwas aus der Schachtel, die er in der Tasche gehabt hatte, steckte es sich
in den Mund und sagte zu dem dicken Mann, der den Raum betrat: »Hier ist eine neue Klientin für dich, Colin.«
Novak sah zu, wie Baumgarten die Finnin zur Treppe führte. Er selbst ging zu Perry, der Zahlen- und Buchstabengruppen auf
seinem Rechner hatte.
»Wie gesagt, die logischste und einfachste Art, mit Hilfe des DN S-Codes einen Hinweis auf einen Standort zu geben, besteht darin, die Ziffern in Kartenkoordinaten umzuwandeln«, sagte Perry und
nahm einen Schluck Fanta.
»Und wo kommt man dann hin?«
»Hängt davon ab, wie die Buchstaben des Codes in Koordinatenziffern verwandelt werden. Welche Zahl
Weitere Kostenlose Bücher