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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ursprünglich aus Boston. Seit zwei Jahren |58| arbeitete er als Kontaktbeamter der USA bei TERA in Brüssel, aber an die Drängelkünste der ortsansässigen Damen hatte er sich
     noch immer nicht gewöhnt.
    Er versuchte, den Karton mit dem Schachspiel zwischen zwei Pelzen auf die Verkaufstheke zu schieben. Das Spiel war wunderschön
     aus Holz gearbeitet und viel zu teuer für einen Zehnjährigen, der es gewohnt war, Plastikschund zu traktieren. Aber wenn auch
     nur die geringste Möglichkeit bestand, den Jungen für das Schachspielen zu begeistern, war O’Brien bereit, die Investition
     zu tätigen.
    Das Spielzeuggeschäft
Serneels
steckte voller Besonderheiten: kleine echte Dampfmaschinen, Plüschponys, so groß – und so teuer – wie echte, altmodische handgemachte
     Puppen. Die Lage des Geschäfts war strategisch richtig gewählt: neben Brüssels teuerstem Luxushotel, aus dem Geschäftsleute
     mit schlechtem Gewissen auf einen Sprung herüberkamen, um Mitbringsel zu kaufen. Wenn man seinen Kindern schon keine
quality time
bieten konnte, dann wenigstens Qualitätsspielzeug.
    O’Brien blickte auf die Uhr. Aus dem Hotel
Conrad
war auch er in den Laden gekommen. Nachdem er sich endlich durchgesetzt hatte, drängte er mit dem Schachspiel in der Plastiktüte
     auf die Straße. Ein milder Wind trieb graue Wolken am Himmel über die Avenue Louise. Am Samstagvormittag war nicht allzu viel
     Verkehr.
    O’Brien ging an geparkten Mercedes-Limousinen vorbei auf den Haupteingang des Hotels zu. Der rote Teppich und die großen,
     zu Kegeln gestutzten Topfpflanzen versetzten die Gäste in passende Stimmung.
    Plötzlich öffnete sich die hintere Tür einer Limousine, und ein sehniger, flinker Mann stieg aus. Auf der Stirn, am Scheitelansatz,
     trug er einen hautfarbenen Verband.
    »Mr.   O’Brien?«, fragte der Mann.
    O’Brien war sofort auf der Hut. »Ja?«
    »Ich bin Dick Novak. Mr.   Irons wartet im Wagen auf Sie.«
    O’Brien warf einen Blick auf den Rücksitz, wo ihm ein älterer |59| Mann mit grauen Haaren zunickte. O’Brien setzte sich neben ihn und stellte die Tüte aus dem Spielwarenladen zwischen seinen
     Beinen ab. Novak schloss die Tür und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Im selben Moment setzte sich das Fahrzeug in
     Bewegung.
    »Ich dachte, wir treffen uns im Hotel«, sagte O’Brien unsicher. An den schweren Bewegungen und an der Innenverkleidung merkte
     er, dass der Wagen gepanzert war. Er fragte sich allmählich ernsthaft, was hier eigentlich gespielt wurde. Er hatte haargenau
     die Anweisung seines Vorgesetzten aus Washington befolgt: Über das Treffen mit der OGA durfte er mit niemandem reden. Mit
     OGA –
Other Government Agency
– war eine andere, von der Regierung beauftragte Instanz gemeint, deren Präsenz man um jeden Preis geheim halten wollte.
    Auf dem Weg vom Stadtzentrum nach Süden fuhr die Limousine in einen Tunnel. Erst da fiel O’Brien auf, dass vor und hinter
     ihnen jeweils ein Geländewagen fuhr. Novak stand mit den Begleitfahrzeugen in Funkkontakt.
    »Dürfte ich die Unterlagen haben«, sagte Irons leise.
    O’Brien zog einen Briefumschlag aus der Innentasche. Er enthielt Kopien des KG B-Materials aus der Seine, das ihm Wilson bei TERA gegeben hatte. Novak drehte sich nach hinten um. Die Atmosphäre im Wagen war in einer
     Weise aufgeladen, die O’Brien irritierte.
    Irons zog die Kopien aus dem Kuvert und blätterte sie durch. Das Auto kam aus dem Tunnel auf einen von Bäumen gesäumten Boulevard.
     Novak blickte besorgt nach hinten. Irons nickte, und auf Novaks Gesicht machte sich Erleichterung breit.
    Die Autos verringerten die Geschwindigkeit.
    »Mach dich bereit auszusteigen«, sagte Irons. »Leider können wir dich nicht zurück in den Spielzeugladen bringen.«
    Einen Moment lang glaubte O’Brien, aus Irons’ Stimme Humor herausgehört zu haben, aber ihm war sogleich klar, dass dieser
     Mann keine Scherze machte.
     
    |60| Am Samstagmorgen war auch im englischen Norfolk schönes Wetter. Nur wenige Wolken zogen über den blauen Himmel. Ein dichter
     Fichtenwald warf Schatten auf die Landstraße zwischen Swaftham und Fakenham. Die Straße schlängelte sich zwischen üppigem
     Grün hindurch, bis ein uraltes, aus Natursteinen gemauertes Haus an einem steilen Hang auftauchte. Hinter der nächsten Kurve
     stand ein zweites, ähnliches Haus, und gleich darauf war man mitten in der verschlafenen Ortschaft Burnford.
    Professor J.   B.   Vaucher-Langston hatte ein

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