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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Rautio nun überhaupt nicht scharf zu sein, dachte Timo und beendete das Gespräch.
    Fast im selben Moment, kurz vor der Ausfahrt Tikkurila, meldete das Telefon eine SMS.   Timo warf einen kurzen Blick auf den Inhalt: Das machen wir noch mal. Aber dann wird es heisser. HL.
    Timo spürte die Röte in seinem Gesicht aufsteigen. Warum hatte Heli diese Mitteilung geschickt? War das eine bizarre Art,
     ihn zu ärgern, oder eine verhüllte Warnung? Würde es bald neue Nachrichten aus Olkiluoto geben?
    Timo steuerte den Wagen in Vantaa vom Stadtteil Tikkurila zum Stadtteil Jokiniemi. Warum hatte Heli ein solches Katz-und-Maus-Spiel
     mit ihm angefangen? Warum das unnötige Risiko? Oder war diese SMS doch rein privater Natur?
    In gewisser Weise konnte Timo sie verstehen – eine extrem begabte Wissenschaftlerin musste von außen zuschauen, wie |64| weniger Begabte vorwärts kamen   ... Timo zog unbeabsichtigt eine Verbindungslinie zu Soile, dafür schämte er sich, aber so dürfte es sich in diesem Fall tatsächlich
     verhalten. Heli Larva war eine Art Genie, doch in den Randgebieten des Genies begann die Grauzone.
    Timo erschrak, als ihm auffiel, wie viel Zeit und Energie er gedanklich Heli Larva opferte. Aber wenn jemand Heli überführen
     könnte, dann er, sagte ihm sein Gefühl. Es kam ihm vor, als besitze er auf vertrackte Weise das Monopol auf sie.
    Timo parkte vor dem Hauptgebäude der KRP und ging hinein. Er hatte vereinbart, das Büro eines ehemaligen Kollegen, der sich
     einer Rückenoperation unterziehen musste, benutzen zu dürfen. Von seinen ehemaligen Arbeitsplätzen war ihm die KRP näher als
     die SiPo, und das lag nicht nur an Rautios unangenehmer Person. Bei der KRP arbeiteten die fähigsten Ermittler Finnlands,
     und Timo sah sich noch immer als einer von ihnen.
    Er loggte sich über die dreifache Passwortstaffelung ins Informationssystem der TERA ein und sah sich die grobkörnigen Bilder
     an, die der Student in Paris mit seine Handykamera gemacht hatte.
    Timo kniff die Augen zusammen. Auf dem Bild war ein blonder Mann im Trenchcoat zu sehen. Das nächste Bild zeigte einige Passanten,
     aber nicht den Mann im Trench. Auch auf den anderen sechs Aufnahmen war der Mann nicht mehr zu sehen.
    Timo kehrte zum ersten Foto zurück. Plötzlich glaubte er, Züge Harri Lahdensuos, des Ehemanns der finnischen Premierministerin,
     im Gesicht des Mannes auf dem Bild zu erkennen. Allerdings war es erbärmlich unscharf.
    Sollte aber Harri Lahdensuo tatsächlich zum Zeitpunkt des Vorfalls – und nicht als zufälliger Passant – auf dem Pont Marie
     gewesen sein, eröffnete das eine neue, sensationelle Dimension des Falls.
     
    |65| Professor Vaucher-Langston lag mit nacktem Oberkörper im Laderaum eines geschlossenen Lieferwagens auf einer Matratze, die
     Augen verbunden und mit Kopfhörern auf den Ohren. Am rechten Arm trug er die Manschette eines Blutdruckmessgeräts, in der
     Armbeuge klebte ein blutiges Läppchen.
    Kim Jørgensen lehnte neben ihm an der Wand und hatte das Handy am Ohr.
    »Ich kann jetzt nicht reden«, sagte er auf Chinesisch zu seiner Frau in Peking.
    »Vielleicht ist es eine Kolik, er hat Krämpfe und schreit   ...«
    »Dann bring ihn zum Arzt«, unterbrach Jørgensen, wobei er an seinem Ring spielte. »Ich rufe dich an, sobald ich kann«, fügte
     er noch hinzu, bevor er auflegte. Sein Erstgeborener war vier Monate lang der Inbegriff der Gesundheit gewesen, bis er in
     den letzten Tagen unruhig geworden war und offenbar Schmerzen bekommen hatte. Am liebsten wäre Jørgensen sofort nach Hause
     gefahren, aber er wusste, das würde eine Zeit lang nicht möglich sein.
    Mit einer abrupten Bewegung wischte er sich die schweißnassen Locken aus der Stirn und konzentrierte sich auf seine aktuelle
     Aufgabe. Carla und Heinz, seine Assistenten, passten draußen auf, dass sie von niemandem überrascht wurden.
    Jørgensen betrachtete den blassen Mann, der oberflächlich und unregelmäßig atmete. Seit über zwei Stunden versuchte er, Vaucher-Langston
     zum Sprechen zu bringen. Dabei hatte er all das angewandt, was er von den besten Profis der größten totalitären Maschinerie
     der Welt gelernt hatte. Aber auf seinem Notizblock stand lediglich ein einziger Name, und mehr war offenbar auch nicht zu
     holen.
    »Ich wiederhole die Frage«, sagte Jørgensen.
    »Das ist sinnlos   ... Niemand   ...«, sagte der Professor leise und leckte sich über die trockenen, blassen Lippen. »Niemand kann sich genau an

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