Das Hiroshima-Tor
den Nachbarn begegnet. Auch wenn sie es gewohnt waren, dass die
Premierministerin gelegentlich bei ihrem Schwager auftauchte, denn der hatte die Wohnung schon vor fünfzehn Jahren gekauft,
und seitdem waren Harri und Marjatta regelmäßig zu Besuch gewesen.
Die drei gingen schweigend und mit ernsten Mienen ins Wohnzimmer auf der Straßenseite, das eher mit Geld als mit Stil eingerichtet
war. Übertrieben sorgfältig schloss Harri die Tür. Er war stämmiger als sein Bruder und schlechter in Form.
»Wie ist die Lage?«, fragte Marjatta müde, während sie auf dem cremefarbenen Ledersofa Platz nahm. Ihr Mann marschierte schnurstracks
zur Hausbar und goss sich einen Whisky ein.
»Alles in Ordnung«, sagte Asko Lahdensuo. »Und selbst wenn ich auffliege – was nicht abzusehen ist –, bekommt ihr trotzdem keine nassen Füße. Das ist von Anfang an mein Projekt gewesen. Ich halte einiges aus, egal, was kommt.«
Er hatte sich dafür entschieden, nicht zu erwähnen, dass dieser dubiose Kerl von der Sicherheitspolizei sich ihm in einem
Restaurant genähert hatte. Auf die Idee, die Diskette zu beschaffen und gegen die Präsidentin zu verwenden, war Asko von sich
aus gekommen, darum würde auch er die Verantwortung tragen. Ursprünglich hatte er das Ganze ohnehin allein durchziehen wollen,
ohne seinem Bruder und seiner Schwägerin |198| etwas zu sagen, aber er hatte es einfach nicht für sich behalten können.
Jetzt bereute er das. Marjatta war eine knallharte Politikerin und würde, ohne mit der Wimper zu zucken, jede potenzielle
Vernehmung überstehen, aber Harri würde reden. Asko kannte seinen Bruder.
»Es geht nicht darum, was du aushältst«, sagte Marjatta eisig. »Wenn du auffliegst, wird niemand glauben, dass ich von der
ganzen Sache nichts gewusst habe.«
Asko lachte. »Wie sollte ich denn auffliegen?«
»Es ist höchste Zeit, dass du verrätst, von wem du die Diskette hättest bekommen sollen«, sagte Harri und nahm einen Schluck
Whisky. »Ist deine Quelle zuverlässig?«
»Ich gebe mich nur mit zuverlässigen Quellen ab. Außerdem hat es keine Bedeutung mehr, wer meine Quelle war«, sagte Asko zunehmend
gereizt. »Steigert euch da nicht in etwas hinein – vergesst das Ganze. Jetzt haben wir zwar nichts mehr gegen die Präsidentin
in der Hand, aber so ist das im Leben eben manchmal.«
Auf dem Polizeirevier in Cambridge sah sich Dick Novak den Plastikbeutel an mit allem, was man bei Professor Vaucher-Langston
gefunden hatte: eine durch die Hitze schwarz gewordene Armbanduhr, ein Schlüsselbund und ein abgegriffenes Stück Metall, das
an ein kleines Amulett oder einen Schlüsselanhänger erinnerte.
»Nehmen Sie die Sachen mit?«, fragte der Polizist.
Frau Vaucher-Langston nahm den Beutel vom Tisch und schob ihn in die Tüte, die bereits eine Kopie des Routineberichts enthielt.
»Es tut mir Leid, aber ich muss mich jetzt wieder um andere Dinge kümmern«, sagte der Polizist. »Seit der Explosion geht es
bei uns drunter und drüber.«
Novak und Frau Vaucher-Langston verließen das Revier. Scott sicherte von der Seite. In der Nacht war die Temperatur gesunken |199| , und Novak fror. Sie gingen um die Ecke in die Bar des Hotels
Randolph
, wo ein Feuer im großen, aus Natursteinen gemauerten Kamin brannte. Novak wollte selbst mit der Frau sprechen. Baumgarten
war ein Profi, aber letzten Endes vertraute Novak am meisten sich selbst.
Verärgert überflog er den Polizeibericht. Als man den Toten fand, hielt er einen Schlüsselanhänger aus Metall umklammert,
an dem allerdings keine Schlüssel waren. Über dieses außergewöhnliche Detail hätten sie sofort informiert werden müssen.
Er gab Frau Vaucher-Langston den Bericht zurück. »Darf ich noch einmal die Sachen sehen?«
Sie reichte ihm den Beutel und begann ihrerseits, den Bericht zu lesen.
Novak fischte den flachen, amulettartigen Schlüsselanhänger aus dem Beutel und hielt ihn sich dicht vor die Augen. In das
Metall war ein Bild eingraviert, das am ehesten an einen Fisch mit vielen Flossen und stumpfem Maul erinnerte. »Warum hielt
Ihr Mann dieses Ding hier umklammert?«, fragte er leise, mit freundlicher Stimme.
»Das kommt mir auch seltsam vor«, entgegnete die Witwe beklommen.
»Haben Sie das schon einmal gesehen?«
»Er besaß schrecklich viel kleines Zeug. Ich kann mich nicht an alles erinnern. Ich werde jetzt gehen«, sagte Frau Vaucher-Langston
müde.
»Es wäre nicht klug, jetzt nach Hause
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