Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
Jo und greift danach, bevor ich sie daran hindern kann. Mist . Ich bin nicht sonderlich scharf darauf, dass jemand die riesige Tafel Schokolade sieht, die ich heute Morgen gekauft und schon halb aufgegessen habe, während ich auf Steve warten musste (ein Moment der Schwäche).
»Ich mach das schon«, sage ich und reiße die Tasche an mich. Doch ihre Hand zerrt bereits am Reißverschluss herum, irgendwie wird die Tasche hin- und hergerissen, und bevor ich es verhindern kann, fällt die halbe Tafel Schokolade heraus, zusammen mit einer fast leeren Miniflasche Weißwein (ein weiterer Moment der Schwäche). Und den Schnipseln eines zerrissenen Fotos von Richard (noch ein weiterer Moment der Schwäche).
»Tut mir leid!«, sagt Jo entsetzt und sammelt die Fetzen zusammen. »Es tut mir so leid! Was ist …« Sie sieht genauer hin. »Ist das ein Foto? Was ist damit passiert ?«
»Hier ist Ihre Schokolade«, sagt ein anderes Mädchen und hält mir die verstümmelte Tafel hin.
»Und ich glaube, das hier könnte eine alte Valentinskarte sein«, sagt ihre Freundin, die gerade etwas Verkohltes aufhebt. »Aber es sieht aus, als wäre sie … verbrannt worden.«
Das habe ich mit einem Streichholz in einer Kaffeetasse bei Costa gemacht, bis man mir sagte, ich sollte damit aufhören. (Ultimativer Moment der Schwäche.)
Richards Auge starrt mich von einem Fotofetzen an, und ich spüre, wie ich gleich vor Trauer zerfließe. Ich spüre, dass zwischen den Mädchen bedeutungsvolle Blicke hin und her gehen, aber mir fehlen die Worte. Ich finde keinen edlen und beseelten Ausweg aus dieser Situation. Jo dreht sich um und betrachtet noch mal meine blutunterlaufenen Augen. Dann fängt sie an, meine Sachen wieder in die Tasche zu stopfen.
»Wie dem auch sei«, sagt sie knapp, »das Wichtigste ist, dass wir Sie ordentlich aufpeppen. Und sei es nur, um es ihm zu zeigen …« Sie zwinkert mir zu. »Wem auch immer … Es könnte etwas dauern. Sind Sie bereit?«
Das ist die Antwort. Ich weiß nicht, wie die Frage lautet, aber das ist die Antwort. Ich sitze mit geschlossenen Augen auf einem Stuhl, in einem fast seligen Gemütszustand, während meine neue beste Freundin Jo und ihre Kommilitoninnen mein Gesicht bebürsten und bemalen. Sie haben mein Gesicht mit Grundierung eingesprüht, mir Lockenwickler in die Haare gedreht, und entscheiden sich ständig um, welchen Look sie mir verpassen wollen, aber ich höre ihnen kaum zu. Ich bin wie in Trance. Es ist mir egal, wann ich wieder ins Büro komme. Ich bin wie auf Droge. Immer wieder döse ich ein. Träume und Farben und Gedanken wirbeln in meinem Kopf umher.
Jedes Mal, wenn ich an Richard denke, verdränge ich ihn. Vergiss ihn. Vergiss ihn, vergiss ihn, vergiss ihn! Ich komme schon zurecht, es wird alles gut. Ich muss nur meinen eigenen Ratschlag befolgen. Mir eine neue Aufgabe suchen. Eine neue Richtung. Irgendwas, worauf ich mich konzentrieren kann.
Vielleicht dekoriere ich meine Wohnung um. Oder vielleicht sollte ich mit asiatischem Kampfsport anfangen. Ich könnte einen Intensivkurs belegen und megafit werden. Mir die Haare abschneiden und so einen Bizeps wie Hilary Swank zulegen.
Oder mir den Bauchnabel piercen lassen. Richard kann gepiercte Bauchnabel nicht ausstehen. Das sollte ich tun.
Oder vielleicht sollte ich verreisen. Warum verreise ich eigentlich nicht öfter?
Immer wieder kehren meine Gedanken nach Ikonos zurück. Es war ein grandioser Sommer, bis das Feuer ausbrach und die Polizei kam und sich alles in Chaos auflöste. Ich war so jung. Ich war dünn . Ich trug einen String-Bikini und abgeschnittene Jeans. Und natürlich war da Ben, mein erster richtiger Freund. Meine erste Beziehung. Dunkle Haare und blaue Augen mit kleinen Fältchen und der Duft von Schweiß und Salz und Aramis. Mein Gott, wie oft hatten wir Sex? Dreimal täglich, mindestens. Und wenn wir keinen Sex hatten, dachten wir an Sex. Es war verrückt. Es war wie eine Droge. Er war der erste Mann, auf den ich so scharf war, dass ich am liebsten …
Moment. Moment mal eben.
Ben?
Ich schlage die Augen auf, und Jo kreischt entsetzt. »Stillhalten!«
Das kann nicht sein. Unmöglich.
»Entschuldigt mal.« Ich zwinkere, versuche, nicht die Fassung zu verlieren. »Könnten wir … vielleicht eine kleine Pause machen? Ich muss dringend telefonieren.«
Ich wende mich ab, wühle nach meinem Handy und drücke Kaylas Kurzwahl, versuche, mir nichts einzureden. Er kann es nicht sein. Das ist er nicht.
Nie im Leben
Weitere Kostenlose Bücher