Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
ist er es.
»Lottie, hi«, höre ich Kaylas Stimme. »Alles okay?«
Warum sollte er mich nach so langer Zeit anrufen? Immerhin ist es schon fünfzehn Jahre her. Wir haben nichts mehr voneinander gehört seit … na ja. Seitdem.
»Hey, Kayla. Ich wollte nur die Nummer von diesem Ben.« Ich gebe mir Mühe, entspannt zu klingen. »Dieser Mann, der gestern angerufen hat, als ich nicht da war. Weißt du noch?«
Wieso balle ich eine Faust?
»Oh, ja. Augenblick mal … da ist sie.« Sie diktiert mir eine Handynummer. »Wer ist das?«
»Ich … bin mir nicht sicher. Und er hat dir wirklich keinen Nachnamen genannt?«
»Nein, einfach nur Ben.«
Ich lege auf und starre die Nummer an. Einfach nur Ben. Einfach nur Ben .
Es ist ein aufdringlicher Bewerber, versichere ich mir. Es ist ein Berufsberater, der meint, ich würde ihn am Vornamen erkennen. Es ist Ben Jones, mein Nachbar, der mich aus irgendeinem Grund bei der Arbeit anruft. Wie viele Leute gibt es auf der Welt, die Ben heißen? Ungefähr fünf Trillionen. Genau.
Einfach nur Ben.
Aber genau das macht mich stutzig. Deshalb bin ich etwas kurzatmig und setze mich instinktiv aufrechter, attraktiver hin. Wer würde sich so melden, außer meiner alten Jugendliebe?
Ich tippe die Nummer ein, schließe meine Augen ganz fest und warte. Das Freizeichen summt. Und noch mal. Und noch mal.
»Benedict Parr.« Es folgt eine Pause. »Hallo? Hier ist Benedict Parr. Ist da jemand?«
Ich kann nicht sprechen. Plötzlich habe ich einen ganzen Schwarm Schmetterlinge im Bauch.
Er ist es.
4
Lottie
Als Erstes sollte ich sagen, dass ich fabelhaft aussehe.
Das Zweite ist, dass ich nicht mit ihm ins Bett gehen werde.
Auf keinen Fall. Das werde ich nicht tun.
Obwohl ich den ganzen Tag daran gedacht habe. Obwohl ich leicht erbebe, beim bloßen Gedanken daran. An ihn. Wie es war. Wie wir waren. Mir ist etwas irreal zumute, leicht benommen. Ich kann gar nicht glauben, dass ich ihn treffen werde. Nach so langer Zeit. Ben. Ich meine: Ben .
Seine Stimme zu hören war, als ginge ich auf Zeitreise. Sofort saß ich ihm gegenüber an diesem wackligen, kleinen Tisch, den wir abends mit Beschlag belegten. Umgeben von Olivenbäumen. Meine nackten Füße auf seinem Schoß. Eine Dose eiskalte Sprite. Meine Sprite-Sucht hatte ich schon völlig vergessen.
Seitdem kommen den ganzen Tag Erinnerungen und Bilder in mir hoch, manche vage, andere gestochen scharf. Seine Augen. Sein Duft. Er war immer so intensiv . Daran erinnere ich mich am meisten. Seine Intensität. Er gab mir das Gefühl, als spielten wir in unserem eigenen Film. Als zählte nichts anderes als er und ich im Hier und Jetzt. Es ging alles um sinnliches Erleben . Wie er sich anfühlte. Sonne und Schweiß. See und Sand. Haut auf Haut. Alles war heiß und heftig und … herrlich.
Und das jetzt – fünfzehn Jahre später – ist … nun ja. Bizarr. Ich werfe einen Blick auf meine Uhr, und mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Genug in Hauseingängen herumgelungert. Es wird Zeit.
Wir treffen uns in Clerkenwell, in einem neuen Fischrestaurant, das gute Kritiken bekommen hat. Offenbar arbeitet Ben in der Nähe irgendwas … ich habe nicht gefragt, was dumm war, also musste ich ihn kurz googeln, als ich wieder im Büro saß. Bei Facebook konnte ich ihn nicht finden, aber es gibt eine Website über eine Papierfirma, deren Direktor er offenbar ist. Ich bin leicht überrascht – er wollte Schauspieler werden, als wir zusammen waren, aber ich schätze, daraus ist wohl nichts geworden. Oder vielleicht hat er es sich anders überlegt. Wir haben damals nicht allzu oft über unsere berufliche Zukunft gesprochen. Eigentlich hatten wir ausschließlich Interesse an Sex und daran, wie wir die Welt verändern wollten.
Ich erinnere mich an ausgiebige, nächtliche Diskussionen über Brecht, den er las, und Tschechow, den ich las. Und die globale Erwärmung. Und Philanthropismus. Und Politik. Und Euthanasie. Wenn ich es recht bedenke, debattierten wir wie in der Schule. Sehr ernst. Aber andererseits … kein Wunder. Die Schule lag ja auch noch nicht lange zurück.
Auf dem Weg zum Restaurant wanke ich leicht auf meinen neuen High Heels, spüre, wie meine Haare auf den Schultern wippen, und bewundere meine makellose Maniküre. Sobald Jo und ihre Freundinnen hörten, dass ich ein Date mit einem Exfreund hatte, nahmen ihre Aktivitäten ganz neue Dimensionen an. Sie lackierten mir die Nägel. Sie färbten meine Augenbrauen. Sie boten
Weitere Kostenlose Bücher