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Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)

Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)

Titel: Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Kinsella
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konnte alles überblicken, weil ich oben im Baumhaus war. Ich sah, was die Leute tun sollten. Man konnte seitlich an der Veranda auf das Dach eines Ziegenstalls springen, was bisher noch keiner gemerkt hatte. Alle waren in Panik. Also habe ich das Kommando übernommen. Ich fing an, den Leuten den Weg zu zeigen. Ich musste schreien, um mir Gehör zu verschaffen, und mit den Armen rudern und wie verrückt auf und ab hüpfen, aber schließlich hat mich jemand bemerkt, und dann haben alle zugehört. Sie haben meine Anweisungen befolgt. Alle sind nacheinander von der Veranda auf den Ziegenstall gesprungen, und niemand wurde verletzt. Da habe ich zum ersten Mal in meinem Leben gemerkt, dass ich andere Menschen lenken kann. Ich kann etwas bewegen.«
    Keiner macht einen Mucks.
    » O mein Gott.« Endlich atmet Cindy aus. »Wie viele Menschen?«
    »Zehn?« Ich zucke mit den Schultern. »Zwölf?«
    »Sie haben zwölf Menschen das Leben gerettet?« Sie klingt ehrfürchtig.
    »Tja, wer weiß?« Ich versuche, die Stimmung ein wenig aufzulockern. »Bestimmt wären sie sowieso gerettet worden. Entscheidend ist, dass mir etwas über mich selbst klar geworden ist.« Ich lege meine Hand aufs Herz. »Von diesem Moment an hatte ich das Selbstvertrauen, das anzustreben, was ich wirklich wollte. Ich habe meinen Kurs geändert, meine alten Vorstellungen über den Haufen geworfen. Ich kann ehrlich sagen, dass sich alles auf diesen einen Moment zurückführen lässt. Das war mein großes Aha-Erlebnis. Da bin ich der Mensch geworden, der ich jetzt bin. Und Sie werden alle Ihre Aha-Erlebnisse bekommen. Da bin ich mir ganz sicher.«
    Jedes Mal durchlebe ich diesen Moment erneut und bin direkt überwältigt, wenn ich die Geschichte erzähle. Es war entsetzlich. Das lasse ich normalerweise aus: wie groß die Angst war, die Panik, als ich gegen den Wind anschrie, damit man mich hörte, wohlwissend, dass alles von mir abhing. Ich schnäuze mich und lächle in schweigende Gesichter. Ich habe etwas bewegt. Dieses Mantra ist mir in all den Jahren erhalten geblieben. Ich habe etwas bewegt . Bei allem Dämlichen und Sinnlosen, was ich tun mag: Ich habe etwas bewegt .
    Es ist still im Saal. Dann steht das blonde Mädchen in der vordersten Reihe auf.
    »Sie sind die beste Berufsberaterin, die wir je hatten. Findet ihr nicht auch?« Zu meiner Überraschung stimmen die anderen in ihren Applaus mit ein. Ein paar Mädchen johlen sogar.
    »Das bin ich sicher nicht«, sage ich eilig.
    »Doch, sind Sie«, beharrt sie. »Sie sind großartig. Wir wollen uns gerne bei Ihnen bedanken.«
    »Aber das habe ich doch gern getan.« Ich lächle höflich. »Es war mir ein Vergnügen, hier zu sein. Ich wünsche euch viel Erfolg für euren beruflichen Lebensweg …«
    »Das meinte ich nicht.« Sie tritt an die Bühne und schwenkt eine dicke schwarze Pinseltasche. »Ich bin Jo. Hätten Sie Lust auf ein Styling?«
    »Oh.« Ich zögere und sehe auf die Uhr. »Ich kann leider nicht. Ich meine, das ist sehr nett von euch …«
    »Nehmen Sie es nicht persönlich«, sagt Jo freundlich, »aber Sie könnten es gebrauchen. Ihre Augen sind total verquollen. Haben Sie letzte Nacht auch genug geschlafen?«
    »Oh.« Ich erstarre. »Ja. Ja, hab ich, danke. Reichlich geschlafen. Ohne Ende.«
    »Na, dann brauchen Sie eine andere Augencreme. Was Sie jetzt benutzen, funktioniert nicht richtig.« Inzwischen mustert sie mein Gesicht eingehend. »Und Ihre Nase ist ganz rot. Sie haben doch nicht … geweint?«
    »Geweint?« Ich versuche, nicht allzu empört zu klingen. »Natürlich nicht!«
    Jo hat mich auf einen Plastikstuhl manövriert und klopft sanft an der Haut um meine Augen herum. Sie holt tief Luft, wie ein Maurer, der eine Wand beurteilen soll, die jemand anders schlecht verputzt hat.
    »Tut mir leid, aber Ihre Haut ist in einem fürchterlichen Zustand.« Sie winkt ein paar Freundinnen heran, die beim Anblick meiner Augen gleichermaßen bestürzte Gesichter machen.
    »Oh, das ist schlimm.«
    »Ihre Augen sind ganz rot!«
    »Tja, keine Ahnung, woran das liegt.« Ich bemühe mich um ein entspanntes Lächeln. »Keinen Schimmer. Überhaupt keinen.«
    »Sie müssen eine Allergie haben oder irgendwas!«, sagt Jo plötzlich.
    »Ja.« Ich stürze mich auf die Idee. »Das muss es sein. Eine Allergie.«
    »Was für ein Make-up benutzen Sie denn? Können Sie es mir zeigen?«
    Ich greife nach meiner Tasche und versuche, den Reißverschluss aufzuziehen, aber er klemmt.
    »Lassen Sie mich mal«, sagt

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