Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
ihn?«, kann ich mir nicht verkneifen. »Komisch, dass du ihn nie erwähnt hast. Mit keinem Wort.«
»In meinem tiefsten Inneren habe ich ihn geliebt.« Sie legt die Hand aufs Herz. » Hier . Vielleicht habe ich es dir nicht erzählt. Vielleicht erzähle ich dir nicht immer alles.« Trotzig wirft sie einen Strumpfhalter in ihren Korb.
»Hast du ein Foto von ihm?«
»Nicht dabei. Aber er sieht blendend aus. Übrigens möchte ich, dass du eine kleine Rede hältst«, fügt sie begeistert hinzu. »Schließlich bist du Erste Brautjungfer und Trauzeugin zugleich. Bens Trauzeuge ist sein Freund Lorcan. Wir werden nur zu viert sein.«
Sprachlos starre ich sie an. Ich wollte eigentlich taktvoll und ganz, ganz behutsam vorgehen, aber ich kann nicht. Das ist doch der helle Wahnsinn.
»Lottie.« Ich lege eine Hand auf das Päckchen mit den Strümpfen, das sie gerade nehmen will. » Moment. Hör mir mal zu. Ich weiß, dass du es nicht hören willst, aber du musst.« Ich warte, bis sie sich mir widerwillig zuwendet. »Du hast dich vor gerade mal fünf Minuten von Richard getrennt. Du standst kurz davor, dich an ihn zu binden. Du hattest ihm einen Verlobungsring gekauft. Du hast gesagt, du liebst ihn. Und jetzt brennst du mit irgendeinem Typen durch, den du kaum kennst? Ist das wirklich eine gute Idee?«
»Jedenfalls ist es gut, dass ich mich von Richard getrennt habe! Sehr gut sogar!« Plötzlich wird Lottie kratzbürstig wie eine Katze. »Ich habe viel nachgedacht, Fliss. Und mir ist klar geworden, dass Richard der Falsche für mich war. Total falsch! Ich brauche jemanden, der romantisch ist. Jemanden, der fühlen kann. Jemanden, der sich für mich aus dem Fenster hängt, weißt du? Richard ist ein netter Kerl, und ich dachte, ich würde ihn lieben. Aber jetzt ist mir klar geworden: Er ist beschränkt.«
Sie spuckt das Wort »beschränkt« aus, als wäre es die schlimmste Beleidigung, die ihr einfallen will.
»Wie meinst du das – ›beschränkt‹?« Unwillkürlich fühle ich mich bemüßigt, Richard in Schutz zu nehmen.
»Er ist spießig. Er hat keinen Stil. Von ihm ist keine große, unbesonnene, wundervolle Geste zu erwarten. Er würde nie nach fünfzehn Jahren ein Mädchen aufspüren und ihr sagen, dass sein Leben ohne sie finster war und er ihr Licht braucht.« Trotzig schiebt sie das Kinn vor, und ich ziehe innerlich eine Grimasse. War das der Spruch von diesem Ben? Dass sie sein Licht sein soll?
Ich meine, ich kann sie ja verstehen. Aus lauter Verzweiflung hatte ich nach meiner Trennung von Daniel auch ein paar schlimme Affären. Aber ich habe nicht gleich geheiratet .
»Hör mal, Lottie.« Ich versuche einen anderen Ansatz. »Ich verstehe dich. Ich weiß, wie das ist. Du bist verletzt. Du bist durcheinander. Aus heiterem Himmel taucht ein alter Verehrer auf, und du landest mit ihm im Bett. Das ist nur natürlich. Aber wieso musst du ihn gleich heiraten?«
»Du liegst völlig falsch«, erwidert sie mit triumphierendem Blick. »Falscher könntest du gar nicht liegen, Fliss. Ich war nicht mit ihm im Bett. Und das werde ich auch nicht tun. Ich spare mich für die Flitterwochen auf.«
Sie …
Bitte?
Das hätte ich nun überhaupt nicht erwartet. Leeren Blickes starre ich Lottie an. Mir fehlen die Worte. Wo ist meine Schwester, und was hat dieser Mann mit ihr gemacht?
»Du sparst dich auf ?«, plappere ich ihr schließlich nach. »Aber … wieso? Ist er Amish?« Plötzlich fürchte ich das Schlimmste. »Gehört er irgendeiner Sekte an? Hat er dir spirituelle Erleuchtung versprochen?«
Bitte sag nicht, dass sie ihm ihr ganzes Geld gegeben hat. Nicht schon wieder.
»Natürlich nicht!«
»Aber … wieso?«
»Damit ich in meiner Hochzeitsnacht den heißesten Sex aller Zeiten habe.« Sie greift sich die Strümpfe. »Wir wissen, dass wir gut zusammenpassen, also kann man es sich doch für den richtigen Moment aufsparen, oder? Es ist unsere Hochzeitsnacht. Die sollte was Besonderes sein. So besonders, wie sie nur sein kann.« Sie schüttelt sich kurz, als könnte sie sich nicht beherrschen. »Und glaub mir, das wird sie. Oh Gott, Fliss, er ist so was von scharf. Wir können kaum die Finger voneinander lassen. Es ist, als wären wir wieder achtzehn.«
Ich starre sie an. Jetzt wird mir alles klar. Ihre glänzenden Augen. Der Korb mit den Dessous. Sie kann es kaum erwarten. Diese Verlobung ist ein einziges großes Vorspiel. Warum habe ich das nicht gleich gemerkt? Sie ist auf Droge – der Droge der Lust. Und
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