Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
den wieder nüchtern? Was soll ich tun? Weißt du nicht irgendein Zaubermittel?«
Ich habe tatsächlich ein Mittel selbst getestet, bei dem schwarzer Kaffee, Eiswürfel und Deo-Spritzer in die Nasenlöcher eine Rolle spielen. Aber das werde ich ihr jetzt nicht verraten.
»Ach, du je«, sage ich mitfühlend. »Du Ärmste. Ich … ich weiß nicht, was ich dir raten soll. Vielleicht Kaffee?«
»Er kann nicht mal mehr aufrecht sitzen! Er hat die ganzen Scheißcocktails getrunken, und ich musste ihm rauf in unser Zimmer helfen, und dann ist er nur aufs Bett gefallen, und dabei sollte das doch jetzt unsere Hochzeits nacht sein!«
»Oh, nein!« Ich versuche, schockiert zu klingen. »Dann habt ihr noch nicht mal …«
»Nein! Haben wir nicht!«
Unwillkürlich schnaufe ich vor Erleichterung. Ich hatte schon befürchtet, dass sie vielleicht eine kleine Nummer geschoben haben, ohne dass jemand etwas davon mitbekommen hätte.
»Wir haben überhaupt nichts gemacht«, heult Lottie verzweifelt. »Und ich weiß, du hast dieses Hotel empfohlen, Fliss, aber ehrlich gesagt: Es ist schrecklich! Ich werde mich beschweren! Die haben uns unsere Flitterwochen kaputt gemacht . Wir haben Einzelbetten! Angeblich lassen sie sich nicht verrücken!« Ihre Stimme klingt immer schriller. »Einzelbetten! In der Honeymoon-Suite!«
»Du meine Güte. Das ist ja nicht zu glauben!« Ich klinge immer aufgesetzter, doch Lottie ist dermaßen in Fahrt, dass sie nichts merkt.
»Und dann laden sie uns als Wiedergutmachung auf diese vielen Drinks ein, und dieser Barkeeper wettet mit Ben, dass der irgend so einen griechischen Cocktail nicht vertragen kann. Und schon hat Ben das ganze Ding in sich reingeschüttet, und alle in der Bar jubeln, und er ist praktisch komatös! Ich meine, was war denn da drin? Absinth?«
Ich mag mir gar nicht vorstellen, was da drin war.
»Im Fahrstuhl auf dem Weg in unser Zimmer haben wir geknutscht«, fährt Lottie aufgeregt fort. »Und ich dachte, jetzt geht’s los, endlich … und plötzlich merkte ich da dieses Gewicht auf meinen Schultern, und Ben war eingeschlafen! Beim Knutschen! Ich musste ihn ins Zimmer schleppen, er wiegt mindestens eine Tonne, und jetzt schnarcht er auch noch!« Sie klingt, als wäre sie den Tränen nah.
»Hör zu, Lottie.« Ich fahre mir mit der Hand durch die Haare und versuche verzweifelt, mir etwas einfallen zu lassen, wie ich damit am besten umgehe. »Ist doch gar nicht so ein großes Ding. Schlaf dich einfach mal richtig aus und … äh … genieß die Annehmlichkeiten des Hotels.«
»Ich werde dieses Hotel verklagen.« Sie scheint mir gar nicht zuzuhören. »Ich weiß gar nicht, wie die einen Preis für die beste Honeymoon-Suite gewinnen konnten. Es ist das Allerletzte!«
»Habt ihr denn gegessen? Bestell dir doch was beim Zimmerservice. Die haben richtig gutes Sushi, und es gibt eine italienische Pizzeria …«
»Okay. Vielleicht mach ich das.« Ihr Zorn scheint zu verrauchen, und sie seufzt geräuschvoll. »Tut mir leid, dass ich dich damit belaste, Fliss. Ich meine, du kannst ja nichts dafür.«
Ich kriege keine Antwort zustande.
Ich tue das Richtige , muss ich mir immer wieder sagen. Was ist besser? – frustriert und aufgebracht für eine Nacht, oder verheiratet und schwanger und es sein Leben lang bereuen?
»Fliss? Bist du noch da?«
»Oh.« Ich schlucke. »Ja. Hör mal, versuch doch, etwas zu schlafen. Morgen sieht die Welt schon anders aus.«
»Nacht, Fliss.«
»Nacht, Lottie.«
Ich lege auf und starre einen Moment lang vor mich hin, versuche, meine Schuldgefühle zu bändigen.
Morgen sieht die Welt schon anders aus.
Totale Lüge. Ich habe schon mit Nico gesprochen. Morgen sieht die Welt nicht anders aus.
12
Lottie
Ich möchte nicht negativ klingen. Aber wenn ich beschreiben sollte, wie ich mir den Morgen nach meiner Hochzeitsnacht vorgestellt habe, dann bestimmt nicht so.
Ganz bestimmt nicht .
Ich hatte mir immer vorgestellt, ich würde mit meinem frisch angetrauten Ehemann kuscheln, in einem Riesenbett mit dicken weißen Daunen, wie in Badeschaum. Draußen zwitschern die Vögel. Sanfter Sonnenschein fällt auf unsere Gesichter, wenn wir uns einander zuwenden und küssen, uns an die wundervolle Nacht erinnern und Liebesschwüre in die Ohren säuseln, um dann übergangslos zu spektakulärem Morgensex überzugehen.
Nicht , in einem Einzelbett aufzuwachen, mit verdrehtem Hals, die Zähne ungeputzt, mit dem Geruch der Zimmerservice-Pizza von gestern Abend in
Weitere Kostenlose Bücher