Das Höllenbild
nichts am Hut hatte. Ja, sie war geleimt worden, davon war sie inzwischen überzeugt.
Der Verdacht verstärkte sich immer mehr, und er sollte sich auch verdichten. Arlene wollte Bescheid wissen, bevor sie dem Kerl eine Kugel in den Kopf schoß.
Sie starrte ihn an. Der Chinese lag halb auf dem Rücken und halb auf der rechten Seite. Er sah schlaff aus. Erinnerte an eine Puppe, die jemand weggeworfen hatte, weil sie nicht mehr gebraucht wurde. Dort, wo der Schlag ihn erwischt hatte, wuchs eine kleine Beule, aber darum kümmerte sich die Frau nicht, als sie sich bückte und neben dem Bewußtlosen niederkniete. Sie hoffte nur, daß er lange genug in diesem Zustand blieb. Hätte sie härter zugeschlagen, wäre er sogar gestorben.
Sie fing damit an, den Mann zu durchsuchen. Nur mit einer Hand tastete sie ihn geschickt ab. In der anderen hielt sie die Beretta, deren Mündung immer auf den Kopf des Mannes zeigte.
Sehr bald hatte sie etwas in seiner Innentasche gefunden. Ein schmales Dokument, eingeschweißt in eine Plastikhülle. Noch bevor sie einen Blick darauf geworfen hatte, wußte Arlene bereits Bescheid. Ihr Instinkt sagte ihr, daß dies kein normaler Ausweis war. Aus dem Dunkel der Tasche holte sie den Gegenstand hervor, drehte ihn etwas zum Licht hin, runzelte die Stirn, als sie das Gedruckte las, und einen Moment später stieß sie einen Fluch aus.
Danach lachte sie. Anschließend konnte sie sich nicht mehr zurückhalten und mußte einfach sprechen. »Karatelehrer – he? Von wegen! Ein Bulle bist du. Ein mieser, beschissener Yard-Bulle. Einer, der zu den anderen gehört. Verflucht!« Sie schleuderte den Ausweis wütend zu Boden. An ihrem Mordentschluß hatte auch Sukos Identität nichts geändert. Arlene war es gewohnt, eine blutige Spur zu hinterlassen, das hatte sich auch in den zehn Jahren nicht geändert. Wer auf der anderen Seite stand und dabei ihr Feind war, mußte sterben.
Sie überlegte nur noch, wie sie die Kugel in den Kopf des Bewußtlosen jagen sollte. Aus nächster Nähe oder aus einer gewissen Entfernung.
Dazu mußte sie aufstehen.
Arlene Shannon entschied sich für die zweite Möglichkeit. Sie würde den Chinesen im Stehen erschießen.
Die Frau stand auf und streckte ihren Arm aus. Die Mündung der Beretta zeigte auf Sukos Kopf. Er hatte keine Chance, da war sich Arlene sicher.
Bis zu dem Augenblick, als sie den Schlag spürte. Präzise und mit großer Wucht hatte er ihr in die Kniekehlen getreten. Der Chinese hatte sich blitzschnell bewegt.
Arlene knickte ein.
Sie drückte trotzdem ab.
Die Kugel fegte in die Decke, wo sie ein kleines Loch hinterließ, und während sie noch fiel, hörte Arlene ein Wort, das sie überhaupt nicht kannte.
»Topar!«
***
Wo war ich?
Die Erinnerungen kehrten zurück, und sie hinterließen auf meinem Körper eine Gänsehaut, denn ich wußte genau, daß mich das seltsame Bild geholt hatte.
Die Terroristin war entlassen worden, ich aber befand mich in diesem Gemälde. So war praktisch nur ein Austausch vollzogen worden.
Aber ich war nicht starr.
Ich konnte mich bewegen. Ich setzte einen Fuß vor den anderen. Ich spürte unter mir den Widerstand eines festen Bodens, und als ich Luft holte, da roch ich Blumen und Gras.
Dieser Geruch bedeutete wohl vieles, aber keine Gefahr, dessen war ich mir sicher.
Dieses Hineingehen in das Gemälde und damit auch die Überwindung normaler Grenzen verglich ich mit einem Zustand, den ich hin und wieder erlebte, wenn ich aus einem tiefen Schlaf voller Träume erwacht war und nun wieder in meiner normalen Welt stand, in der ich mich zunächst einmal zurechtfinden mußte.
Nur war es hier umgekehrt. Von der normalen Welt aus war ich eingetreten in eine andere Dimension, und wahrscheinlich war dieser eine Schritt in das Gemälde hinein nichts anderes gewesen, als das Überwinden einer Zeitspanne.
Ich befand mich in der Vergangenheit!
Steckte ich überhaupt in diesem Bild?
Das war mein zweiter Gedanke, und ich wollte wissen, was da wirklich passiert war, deshalb drehte ich mich auf der Stelle um, damit ich meine Umgebung in Augenschein nehmen konnte.
Sie war anders. Sie war seltsam. Sie war auf der einen Seite so wunderbar, so herrlich und auf der anderen wiederum fremd. Ob ich mich auf einer Insel befand oder auf einem Festland, das konnte ich nicht sagen. Gleichzeitig wunderte ich mich darüber, daß mir überhaupt der Gedanke an eine Insel gekommen war.
Wieso eigentlich? Warum hatte ich an eine Insel gedacht? Der
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