Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman
wundern, wenn er es trotzdem wagte. Und in dem Falle habe ich keine Wahl. Es ist meine Pflicht, ich muss zumindest versuchen, es zu verhindern.«
Lasseur seufzte. »Dann bitte ich dich um einen Gefallen. Warte wenigstens bis Sonnenuntergang, ehe du gehst. Dann ist das Risiko geringer, dass du in der Nähe der Farm gesehen wirst.«
Hawkwood schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Ich werde mich vorsehen, aber ich kann nicht warten, bis es dunkel ist. Ich muss Barham erreichen, solange es noch hell ist.«
»Barham?« Lasseur runzelte die Stirn. »Was ist in Barham? Und warum musst du vor Sonnenuntergang dort sein? Ich verstehe nicht.«
»Dort ist eine Telegrafenstation der Admiralität.«
Ludd hatte Hawkwood mit dieser Einrichtung bekannt gemacht, falls er davon Gebrauch machen müsse. Die Admiralität hatte dieses System eingerichtet, um mit sämtlichen Stützpunkten an der Südküste schnell Verbindung aufnehmen zu können. Es bestand aus einer Reihe von Stationen, die auf erhöhten Punkten standen und übers ganze Land verteilt waren. Jede Station bestand aus einem großen rechteckigen Rahmen, in dem sich sechs Klappläden befanden, angeordnet in zwei Reihen zu jeweils drei. Diese Klappläden konnten ganz nach Wunsch geöffnet und geschlossen werden, wobei die verschiedenen Kombinationen jeweils einen Buchstaben des Alphabets darstellten. Ludd war mit Hawkwood auf das Dach des Admiralitätsgebäudes gestiegen und hatte ihm gezeigt, wie dieser Signalisier-Mechanismus bedient wurde. Es war eine geniale Erfindung. Ludd hatte behauptet, bei klarem Wetter und guter Sicht brauche eine Nachricht von Portsmouth nach Whitehall weniger als zehn Minuten. Bekannte Signale konnten in einem Viertel dieser Zeit bestätigt werden, was umso bemerkenswerter war, als Hawkwood und Ludd allein fünf Minuten gebraucht hatten, um auf das Dach zu gelangen.
In Kent gab es zwei Strecken dieser Telegrafenstationen. Eine lief von Sheerness nach Faversham; Hawkwood vermutete, dass die Nachricht von ihrer Flucht diesen Weg genommen hatte. Die andere Strecke war von wesentlich größerem Nutzen. Sie lief vom Dach in Whitehall über ein Dutzend weiterer Stationen, einschließlich Chatham und Faversham, bis nach Deal.
Wenn man die Lage der Farm relativ zur Küste in Betracht zog, dann war der Telegraf in Shottenden der nächste. Er war vermutlich nicht weiter als sieben oder acht Meilen entfernt, aber der Weg führte über Land. Barham, die nächste Station an dieser Strecke, befand sich hingegen an der Hauptstraße von Canterbury nach Dover. Die Entfernung war etwas über eine Meile mehr, und es war eine Route, die Morgan vielleicht bewachte, aber sie wäre wesentlich schneller. Hawkwood wusste, wenn er nach Barham käme, konnte er von dort aus die Admiralität in London und die Behörden in Deal gleichzeitig benachrichtigen.
»Dann warte bis morgen«, sagte Lasseur. »Das reicht immer noch, um ein Signal zu schicken. Du musst essen, außerdem bist du dann besser ausgeruht. Wenn du beim ersten Morgengrauen aufbrichst, ist es auch weniger wahrscheinlich, dass du Morgans Leuten begegnest, und wenn du vor ihnen fliehen müsstest, dann wärst du fitter.«
Hawkwood zog seinen linken Stiefel an und griff nach seiner Jacke, die auf dem Bett lag. Es war mühsamer als erwartet. Er verspürte eine leichte Übelkeit. Der bittere Nachgeschmack von Jess Flynns Medizin stieg wieder in seiner Kehle hoch. Nach dem losen, bequemen Nachthemd fühlte er sich beengt in seinen Kleidern. Plötzlich hatte er keinen größeren Wunsch, als seinen Kopf wieder auf das Kopfkissen zu legen.
Im Inneren wusste er, dass Lasseurs Rat vernünftig war. Sein Körper signalisierte ihm, dass er Ruhe brauchte. Er hatte wirklich lange nichts mehr gegessen. Er war einfach noch nicht in der Verfassung, sich auf ein Pferd zu setzen und neun Meilen zu reiten, und noch viel weniger, mit irgendeiner Bedrohung fertig zu werden.
Widerwillig nickte er. »Also gut, du hast gewonnen. Ich werde mich morgen früh auf den Weg machen.«
Als Pepper eintrat, saß Morgan an seinem Schreibtisch und blätterte im Kassenbuch. Es war kein guter Tag für ihn. Trotz der Turbulenzen – insbesondere der Bedrohung, die das Verschwinden des Franzosen und des Runners darstellte – musste es weitergehen. Es gab nach wie vor vieles zu erledigen: Da waren Transporte und Treffen, die abgesprochen werden mussten, zugleich musste er sich um die Leute kümmern, die dafür infrage kamen. Lieferungen
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