Das Hohelied des Todes
und schlüpfte in eine billige, weite Windjacke, unter der sein .38er nicht auffiel. Zum Schluß steckte er eine Schachtel Marlboro und eine kleine Taschenlampe ein, öffnete die Tür und stieg aus dem Plymouth.
Dieser Teil von Hollywood ist wie ein Vampir, der der Stadt das Blut aussaugt, dachte er. Auf den Gehsteigen brodelte das Leben, das am besten im Schatten gedieh. Er postierte sich an einer günstigen Stelle, von der aus er Zuhälter, Nutten, Junkies, Dealer und sonstige Desperados und Degenerierte erst einmal genau beobachten konnte. Aber das Beste an dieser Gegend waren die vielen selbständigen Bordsteinschwalben. Decker brauchte eine Nutte, die nicht an einen Luden gekettet war.
Er mußte nicht lange warten. Die Nutte, die er schließlich ins Visier nahm, war eine magere Schwarze in einem elektrischblauen, ärmellosen T-Shirt, abgeschnittener Jeans und kniehohen, schwarzen Stiefeln. Die Haare trug sie dicht am Kopf geflochten, und die Augenlider hatte sie sich blau und pink geschminkt. Zwei rote Striche betonten ihre Wangenknochen. Er sah sie nur einmal kurz an und dann gleich wieder weg.
Decker war schon immer der Meinung gewesen, daß man sich, um bei der Sitte als verdeckter Ermittler Erfolg zu haben, in eine Frau hineinversetzen mußte. Man mußte sich schüchtern und nervös geben. Die meisten echten Freier waren auch verdammt unsicher, wenn sie eine Nutte ansprachen. Normalerweise hatten sie Hemmungen, und die Nutte machte den ersten Schritt. Jeder Mann, der zu selbstbewußt auftrat, roch nach einem Perversen oder nach einem Bullen.
Er steckte sich eine Zigarette an und warf Hot Pants einen raschen Blick zu. Sie legte den Kopf auf die Seite und lächelte ihn offen an. Er lächelte zurück und rauchte weiter. Er drehte sich nicht zu ihr um, aber er konnte sie kommen hören.
»Hast du mal Feuer?« fragte sie mit kehliger Stimme.
Decker zog seine Streichhölzer heraus und gab ihr Feuer.
»Danke, Süßer«, sagte sie.
»Gern geschehen.«
»Was machst du denn hier so allein, Süßer?«
Nach einer kleinen Pause antwortete er: »Die frische Luft genießen.«
»Bist wohl ein Naturfreund, was?«
Er ließ den Blick langsam über ihren Körper gleiten. Das enge Nylonoberteil gab ihren hängenden Brüsten kaum Halt, und die hautengen Shorts kniffen im Schritt.
»Ich liebe alle Gaben von Mutter Natur«, sagte er und bemühte sich, ein lüsternes Gesicht zu machen.
»Wieviel sind dir die Gaben von Mutter Natur wert, Süßer?«
»Was würden sie mich denn kosten?«
»Ich würde sagen, für fünfzig Dollar könntest du dir schon ein anständiges Stück Natur leisten.«
»Was heißt das genau?« fragte er und blies langsam den Zigarettenrauch aus.
»Kommt ganz darauf an, was du möchtest, Süßer.«
»Was kannst du mir denn anbieten?«
»Du brauchst es dir bloß zu wünschen«, sagte sie.
So leicht ließ sie sich nicht in die Falle locken, also wechselte er abrupt die Taktik.
»Hör zu, du Flittchen, verarschen kann ich mich alleine. Dann lassen wir es eben bleiben.«
Er wandte sich zum Gehen, aber sie hielt ihn fest.
»Reg dich doch nicht gleich auf, Süßer. Spar dir deine Kräfte lieber für später.« Sie musterte ihn und beschloß, es zu riskieren. »Blasen oder bumsen, du hast die Wahl.«
»Und wenn ich beides will?«
»Kostet es dich fünfundzwanzig extra.«
»Mal sehen, ob ich soviel dabeihabe.« Er faßte in seine Jackentasche, holte seine Marke heraus und packte sie am Arm.
»Ach, du Scheiße«, stöhnte sie.
»Komm schon, Hot Pants, benimm dich.« Er drehte sie mit dem Gesicht zur Hauswand und filzte sie.
»Was ihr Scheißkerle euch aber auch alles einfallen laßt, um mal umsonst ein bißchen fummeln zu können«, sagte sie.
»Vergiß es.« Er legte ihr Handschellen an.
»Arschloch«, sagte sie ruhig. »Hör mal, Süßer, was soll eigentlich der Quatsch? Du weißt doch genau, daß ich morgen abend wieder hier stehe. Wozu also die Hektik?«
Er schob sie in eine dunkle, menschenleere Gasse.
»He, was soll denn das werden, Süßer?« fragte sie, plötzlich beunruhigt.
Er drückte sie gegen die Wand und starrte sie durchdringend an. Erschrocken riß sie die Augen auf, und ihre Kinnlade klappte herunter.
»Was wollen Sie?« fragte sie nervös.
»Hilfe.«
»Ich muß mich wohl verhört haben.«
»Du kannst es dir aussuchen. Entweder du hilfst mir, dann kannst du in ein paar Minuten weiterarbeiten. Oder du hilfst mir nicht, dann verbringst du die Nacht in der Zelle.«
»Was
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