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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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durchsichtig, so daß ihre nackten Brüste durchschimmerten. Ihre Füße mit den knallrot lackierten Zehennägeln steckten in offenen Sandalen mit Pfennigabsätzen. Sie war langgliedrig und hatte ein Pferdegesicht – große Zähne, dicke Lippen und große, harte Augen, aus denen der Haß blitzte.
    »Sind Sie Kikis Bulle?« fragte sie. Sie hatte eine tiefe, rauchige Stimme, die im Dunkeln bestimmt sexy wirkte.
    »Wer sind Sie?« fragte Decker ohne Umschweife.
    »Ich bin Lilah, eine Freundin von Kiki. Ihre beste Freundin.«
    Führt sich auf wie ihr Liebhaber, dachte er. Die Beschützerpose, der Trotz. Wag es bloß nicht, etwas Schlechtes über sie zu sagen, du Bullenschwein.
    »Sind Sie Decker?«
    Er nickte.
    »Ich habe Sie verständigt«, sagte sie. »Das hab’ ich für Kiki getan. Ich wußte, daß sie Sie sehen wollte. Weiß Gott, was sie an Ihnen findet. Sie sind ja doch bloß ein Bulle – und besonders gut sehen Sie auch nicht aus.«
    »Wissen Sie, was mit ihr passiert ist, Lilah?«
    »Ich kann es mir denken.«
    Decker wartete.
    »Sie hatte da ein paar feste Freier«, sagte sie. »Solche von der irren Sorte, die zwar viel Knete lockermachen, einen dafür aber auch ganz schön hart rannehmen … die beißen und treten und so … und diesmal … ich weiß auch nicht. Der Typ muß wohl durchgedreht sein.«
    Decker war entsetzt.
    »Ein Freier?«
    Das Mädchen nickte.
    »Sie ist von einem Freier zusammengeschlagen worden, den sie früher schon mal bedient hat?«
    »Ja, aber dermaßen ausgerastet ist sonst noch nie einer.«
    »Sie ist wieder anschaffen gegangen?«
    »Sie wollten das nicht, das ist mir schon klar. Aber …«
    Decker ballte die Fäuste. »Herrgott noch mal!«
    »Sie wußte einfach nicht, ob sie es in so einem miesen Heim noch mal aushält.«
    »Das war kein mieses Heim«, sagte Decker. Er mußte sich beherrschen, nicht laut zu werden. »Sie brauchte bloß sauber zu bleiben …«
    »Sie wollte nicht in das Heim, Decker. Das hat sie mir selber gesagt.«
    »Und warum nicht, in drei Teufels Namen?«
    »Das Leben auf der Straße ist vielleicht nicht gerade das Gelbe vom Ei, aber für sie ist es trotzdem so etwas wie ein Zuhause.«
    »Ein Zuhause? Komm mir bloß nicht mit dem Schwachsinn, Baby. Sie ist brutal zusammengeschlagen worden, sie könnte sterben! Ein schönes Zuhause! Mach endlich mal die Augen auf.«
    Lilah wurde wütend. »Sie hat mir erzählt, daß du viel mit Jugendlichen zu tun hast, Bulle.«
    »Richtig.«
    »Dann mach doch mal selber die Augen auf. Klar, sie ist verprügelt worden. Aber was meinst du eigentlich, was ihr Vater früher mit ihr gemacht hat? Und dafür hat der alte Sack noch nicht mal bezahlt.«
    Decker rieb sich das Gesicht. »Ich glaub’ es einfach nicht. Da reiß’ ich mir den Arsch auf für sie … Was sind das für Dreckschweine, die so was machen?«
    »Die kommen im Jeep angefahren, in solchen Geländewagen. Die können sich alles und jeden kaufen, aber ab und zu machen sie eben gern mal einen Zug durch die Hollywood Slums. Ich habe mich mal mit einem von denen eingelassen. Ein fetter, alter Wichser, der Maurice hieß. Muß Mitte Sechzig gewesen sein. Die Knete hat gestimmt, aber mir war es zu viel. Ich habe schließlich auch meinen Stolz.«
    Decker sagte nichts.
    Lilah zuckte resigniert mit den Schultern. »Ehrlich gesagt, stand der Wichser auch nicht auf mich. Ich war ihm wohl zu alt. Was für ein Arsch! Der hätte mir fast einen Zahn ausgeschlagen.«
    »Weißt du, welcher von den Typen Kiki das angetan hat?« fragte Decker.
    »Nein.«
    »Denk nach, Lilah!«
    »Ich weiß es nicht, kapiert?« sagte Lilah. »Ich bin müde. Lassen Sie mich in Frieden.«
    »Willst du denn nicht, daß der Drecksack dafür bezahlt, daß er Kiki halb totgeprügelt hat?«
    »Die Gerechtigkeitsmasche können Sie sich schenken, Bulle. Diese Typen sind wie dicke, fette Pickel. Wenn du einen ausquetschst, kommen gleich ein Dutzend neue nach. Ich mag Kiki wirklich gern, aber ich hab’ selber nicht mehr viel Power. Ich muß mir meine Kräfte einteilen. Früher war ich auch mal ein edler Ritter, aber mittlerweile ist mir alles scheißegal.«
    Plötzlich kam ein schrilles Geräusch aus Kikis Zimmer. Ein hoher, gleichbleibender Ton, flach wie erstorbene Lebenszeichen. Die Lampen über der Tür flammten hellblau auf. Zwei Schwestern und ein Arzt stießen Decker zur Seite. Er ging den Korridor hinunter. Er wollte nichts wissen, aber er mußte bleiben, bis es so oder so entschieden war.
    Eine Viertelstunde

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