Das Hospital der Verklärung.
Melodie herüber wie von trunken vibrierenden Stimmgabeln. Die Kiefern bildeten eine blaue Mauer; hier und da schimmerte weiß das gezackte Astgewirr der Birken hindurch.
Wenn Stefan müde wurde, blieb er unter den riesigen Bäumen stehen oder setzte sich auf den Teppich aus grauen Nadeln. Einmal gelangte er auf seiner ziellosen Wanderung an einen verschwiegenen Platz hinter der lehmigen Steilwand eines Hügels. Drei hohe Buchen wuchsen dort, die, von einem gemeinsamen Stamm ausgehend, sanft auseinanderstrebten. Etwas weiter unten reckte sich wie auf Zehenspitzen ein junger Eichenbaum – der Bach, der hier im Frühling floß, hatte den Lehm zwischen seinen Wurzeln weggespült, und seine horizontalen Äste sahen aus wie auf japanische Art zurechtgestutzt. Einige hundert Schritt weiter war der Wald zu Ende. Den Hügel hinauf standenBienenkörbe in einer Reihe, grün und ziegelrot bemalt wie tönerne Heiligenfiguren. Dieser Ort barg ein Echo. Stefan weckte es durch Händeklatschen. In der erhitzten Luft schallte es mehrere Male zur Antwort, aber immer schwächer und dumpfer. Nur das vielstimmige Summen der Bienen störte die Stille. Bisweilen hob in einem der Körbe ein ganz aufdringliches Singen an. Sie glichen von weitem der primitiven Klaviatur eines Dorfinstrumentes.
Stefan ging weiter. Nach einer guten Weile stellte er staunend fest, daß das Summen der Bienenkörbe, die er längst hinter sich gelassen hatte, nicht verstummte, sondern im Gegenteil lauter wurde; in immer tieferem Baß füllte es die Luft. Stefan hatte die Mulde durchquert und ihren grasbewachsenen Rand auf der anderen Seite erreicht. Da erblickte er nahebei einen Würfelbau aus roten Ziegeln, der aussah wie eine auf niedrigen Betonklötzen ruhende Kiste. Aus drei Himmelsrichtungen liefen hier die Linien von Hochspannungsmasten zusammen, und aus den geöffneten Fenstern drang ein rhythmisches Brummen. Als Stefan sich diesem sonderbaren Haus näherte, bemerkte er zwei Männer, die unter dem einen Fenster im schattigen Grase saßen. Er zuckte zusammen, denn er glaubte in einem von ihnen seinen Vetter Grzegorz zu erkennen, den er zum letztenmal in Nieczawy bei der Beerdigung gesehen hatte. Doch im nächsten Moment wurde ihm sein Irrtum bewußt: Die Uniform ohne Abzeichen, das blonde Haar und die Kopfhaltung waren Ursache jener Vermutung gewesen. Da der Mann nun einmal seine Neugier geweckt hatte, wich Stefan scheinbar unabsichtlich vom Pfade ab und schritt, das Gesicht der Ferne zugewandt, wie ein Spaziergänger über den Rasen. Jene sahen ihn erst, als er vor ihnen angelangt war, und Stefan fühlte den ruhigen Blick zweier Augenpaare auf sich gerichtet. Er blieb stehen. Peinliches Schweigen folgte.
Der Mann, den Stefan für Grzegorz gehalten hatte, saß reglos da, die Hände auf den Knien, die Füße in den lehmbeschmierten Stiefeln leicht gekreuzt; der offene Uniformrock ließ ein Dreieck von seiner nackten braunen Brust sehen; das glänzende Haar bedeckte den Schädel wie ein kupferner Helm. Aus den hageren, scharf gezeichneten Zügen schauten Stefan im Sonnenschein halbgeschlossene Augen an. Der andere Mann, bedeutend älter, groß und schlank, hatte Gesicht und Hände von der Farbe feinzerstäubter Asche; die Mütze trug er mit dem Schild nach hinten, ein Ohr war verwachsen, und nur ein kleines, zusammengerolltes Läppchen ragte aus einem Büschel Haare heraus wie eine fleischige rosa Blüte.
»Ist das hier … ein Kraftwerk?« murmelte Stefan schließlich, um das unerträgliche Schweigen zu brechen, das fühlbarer schien als dieses Sausen, das durch die Fenster strömte.
Keine Antwort. Plötzlich sah Stefan einen dritten Mann hinter dem Fenster auftauchen. Ein unscheinbarer Greis mit einem zarten Haarschleier auf dem Schädel. In seinem blauen Monteuranzug war er vor dem dunklen Hintergrund kaum wahrzunehmen. Der junge Mann ließ seine blitzenden Augen von einem zum anderen schweifen und sagte schließlich in drohendem Ton zu Stefan, wobei er vermied, ihm in die Augen zu sehen: »Es wäre besser, wenn Sie sich hier nicht herumtrieben.«
»Wie bitte?« murmelte Stefan unwillkürlich.
»Ich sage, es wäre besser, wenn Sie sich hier nicht herumtrieben. Der Bannschutz oder sonst was kann jeden Moment eintrudeln, und dann gibt’s ein Unglück.«
Der ältere von beiden, dem das eine Ohr fehlte, unterbrach ihn: »Nicht so stürmisch, mein Junge. Wo kommen Sie denn her?«
»Ich? Vom Sanatorium. Ich bin Arzt. Warum?«
»Ach so«, sagte der
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