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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Stufen«, sagte die Alte Billig, »und zu schlau, um meine Nase in Dinge zu stecken, die mich nichts angehen. Aber die sind da oben«, sagte sie. »Seht selbst nach.« Und damit ging sie wieder hinaus auf die Straße - zurück zum galanten Gewerbe.
    »Ich bin blind«, räumte Freud ein. »Ich würde für die Stufen die halbe Nacht brauchen, und falls sie wirklich da sein sollten, würde ich eh nichts sehen.«
    »Gib mir den Baseballschläger«, sagte ich zu Freud. »Ich geh mal nachsehen.«
    »Nimm einfach mich mit«, sagte Jolanta. »Scheiß auf den Schläger.«
    »Ich brauch den Schläger sowieso«, sagte Freud. Jolanta und ich sagten ihm Gutenacht und stiegen die Treppen hoch.
    »Wenn irgendwas dran ist«, sagte Freud, »dann weck mich und laß es mich wissen. Oder erzähl es mir morgen früh.«
    Im zweiten Stock blieben Jolanta und ich eine Weile auf der Treppe stehen und horchten, aber das einzige, was wir hören konnten, kam von der Familie aus New Hampshire, die sämtliche Möbel an ihre Zimmertüren rückte. Das junge schwedische Pärchen hatte sich im Schlaf nicht stören lassen, offenbar gewöhnt an Orgasmen - oder an Mord. Der alte Mann aus dem Burgenland war möglicherweise auf seinem Zimmer gestorben, kurz nach seiner Ankunft. Die Radfahrer aus England wohnten im dritten Stock und waren wahrscheinlich zu betrunken, um sich aus dem Schlaf reißen zu lassen. Jedenfalls dachte ich das, aber als Jolanta und ich im dritten Stock auf dem Treppenabsatz stehenblieben und wegen der Radikalen die Ohren spitzten, begegneten wir dort einem der englischen Radfahrer.
    »Ausgesprochen seltsam«, flüsterte er uns zu.
    »Was denn?« sagte ich.
    »Dachte, ich hätte einen Schrei gehört«, sagte er. »Aber der kam ausgesprochen von unten. Nun höre ich, wie sie die Leiche herumschleifen, da oben. Ausgesprochen merkwürdig.«
    Er warf einen Blick auf Jolanta. »Spricht die Dirne englisch?« fragte er mich.
    »Die Dirne gehört zu mir«, sagte ich. »Wie wär's, wenn Sie sich wieder schlafen legten?« Ich war in der Nacht vielleicht achtzehn oder neunzehn, glaube ich; die Auswirkungen des Gewichttrainings fingen offensichtlich an, die Leute zu beeindrucken. Der englische Radfahrer legte sich jedenfalls wieder schlafen.
    »Was meinst du, was geht da vor?« fragte ich Jolanta und deutete mit einer Kopfbewegung nach oben, zu dem schweigenden vierten Stock.
    Sie zuckte mit den Achseln; es reichte nicht annähernd an Mutters oder Frannys Achselzucken heran, aber es war das Achselzucken einer Frau. Sie steckte ihre großen Hände in die tödliche Handtasche.
    »Was kümmern mich die da oben?« fragte sie. »Sie mögen die Welt verändern«, sagte Jolanta von den Radikalen, »aber mich werden sie nicht verändern.«
    Irgendwie ermutigte mich das, und wir stiegen hoch zum vierten Stock. Ich war nicht mehr da oben gewesen, seit ich beim Umzug, drei oder vier Jahre vorher, mit den Schreibmaschinen und den Büromöbeln geholfen hatte. Schon der Flur sah verändert aus. Viele Kisten standen herum, und große Flaschen - Wein oder Chemikalien? fragte ich mich. Jedenfalls waren es mehr Chemikalien, als sie für den einen Umdrucker brauchten - falls es überhaupt Chemikalien waren. Irgendwelche Flüssigkeiten für das Auto, mag ich gedacht haben; ich wußte es nicht. Ich tat das für einen Ahnungslosen Naheliegende: ich klopfte an die erste Tür, zu der Jolanta und ich kamen.
    Ernst machte auf; er lächelte. »Was gibt's?« fragte er. »Kannst du nicht schlafen? Zu viele Orgasmen?« Dann sah er Jolanta hinter mir stehen. »Du suchst wohl ein Zimmer, wo du ungestört bist?« fragte er mich. Dann bat er uns herein.
    Das Zimmer hatte Verbindungstüren zu zwei anderen - ich erinnerte mich, daß es früher nur ein angrenzendes Zimmer gegeben hatte -, und die Einrichtung hatte sich wesentlich verändert, obwohl ich in den zurückliegenden Jahren nicht ein einziges Mal beobachtet hatte, daß ein größerer Gegenstand hinein- oder herausgetragen wurde; nur die Dinge, nahm ich an, die Schraubenschlüssel für den Wagen brauchte.
    Schraubenschlüssel war im Zimmer, und auch Arbeiter - der stets arbeitende Arbeiter. Es war wohl eine der großen, wie Batterien aussehenden Kisten gewesen, die die Alte Billig und ich von einem Tisch hatten fallen hören, denn die Schreibmaschinen waren in einem anderen Teil des Raumes; offenkundig waren sie an diesem Abend nicht benutzt worden. Einige Karten - oder vielleicht waren es auch Konstruktionspläne - waren

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