Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
hatte. Er war kein geselliger Mensch, aber als Coach Bobs erfolgreiche Saison das Wiederaufleben einer Schulkapelle bewirkte - kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war letztmals eine Schulkapelle in Dairy aufgetreten -, da konnte Frank den Uniformen nicht widerstehen. Da er kein Musikinstrument spielen konnte, gaben sie ihm die Becken. Andere Leute kamen sich damit wahrscheinlich albern vor; ganz anders Frank. Ihm machte es Spaß, untätig mitzumarschieren und auf den großen Augenblick zu warten, wo er - BATSCH - die Becken gegeneinanderhalten durfte.
    Nicht, daß wir nun einen Musiker in der Familie gehabt hätten, der pausenlos übte und mit seinem Kratzen, Tuten oder Klimpern den Rest der Familie in Wahnsinn trieb. Frank »übte« mit den Becken nicht. Gelegentlich, zu ungewöhnlicher Stunde, hörten wir sie einmal krachend zusammenrasseln - hinter verschlossener Tür -, und wir, Franny und ich, mußten uns dann ausmalen, wie Frank in seiner Uniform so lange schwitzend vor dem Spiegel auf der Stelle marschiert war, bis er das Geräusch seines eigenen Atems nicht mehr ertragen hatte und dazu inspiriert worden war, einen dramatischen Schlußpunkt zu setzen.
    Der fürchterliche Lärm ließ Kummer bellen und - wahrscheinlich - furzen. Mutter ließ Dinge zu Boden fallen. Franny lief zu Franks Tür und trommelte dagegen. Ich hatte bei dem Schmetterschlag immer andere Vorstellungen; mich erinnerte er an die Schroffheit eines Schusses, und jedesmal dachte ich, einen Augenblick lang, wir seien gerade von Franks Selbstmord aufgeschreckt worden.
    Auf dem Weg, wo die Rückraumspieler ihm aufgelauert hatten, zerrte Frank seine schlammverschmierten Becken aus dem Gebüsch und klemmte sie sich unter den Arm.
    »Wo können wir hin?« fragte Chip Dove Franny. »Um allein zusein.«
    »Ich weiß was«, sagte sie. »Ganz in der Nähe«, fügte sie hinzu. »Den Platz kenne ich schon ewig.« Und ich wußte natürlich, daß sie das Versteck in den Farnen meinte -  unser Versteck. Meines Wissens war sie da nicht mal mit Struthers hingegangen. Ich dachte mir, sie habe den Ort nur deshalb so eindeutig genannt, damit Frank und ich Bescheid wußten und sie retten konnten, doch Frank war bereits auf dem Weg nach Hause; er stapfte den Weg hinunter, ohne für Franny ein Wort oder einen Blick übrig zu haben, und Chip Dove grinste mich mit seinen eisig blauen Augen an und sagte: »Verpiß dich, Kleiner.«
    Franny nahm ihn an der Hand und zog ihn vom Weg herunter, aber ich hatte Frank im Nu eingeholt. »Herrgott, Frank«, sagte ich, »wo willst du denn hin? Wir müssen ihr helfen.«
    »Franny helfen?« sagte er.
    »Sie hat dir doch auch geholfen«, sagte ich zu ihm. »Sie hat dich aus der Scheiße geholt.«
    »Na und?« sagte er, und dann fing er an zu heulen. »Woher willst du wissen, daß sie unsere Hilfe will?« sagte er schniefend. »Vielleicht will sie wirklich mit ihm allein sein.«
    Das war für mich ein furchtbarer Gedanke - fast so schlimm wie meine Befürchtung, daß Chipper Dove mit Franny etwas machte, was sie nicht wollte - und so packte ich Frank an dem einen noch verbliebenen Schulterstück und zog ihn hinter mir her.
    »Hör auf zu heulen«, sagte ich, denn ich wollte nicht, daß Dove uns kommen hörte.
    »Ich will mit dir reden, nur reden!« hörten wir Franny schreien. »Du Rattenarsch!« brüllte sie. »Du hättest so nett sein können, aber nein, du mußtest so ein SuperScheißhaufen von einem Menschen sein. Ich hasse dich!« rief sie. »Hör auf damit!« kreischte sie.
    »Ich glaube, du magst mich«, hörten wir Chipper Dove sagen.
    »Ich hätte dich vielleicht gemocht«, sagte Franny, »aber jetzt nicht mehr. Nie und nimmer«, hörten wir sie sagen, aber sie klang nicht mehr wütend - sie weinte plötzlich.
    Als Frank und ich zu den Farnen kamen, hatte Dove seine Footballerhosen bis zu den Knien heruntergezogen. Er hatte die gleichen Schwierigkeiten mit den im Hosenfutter steckenden Schenkelpolstern, die Franny und ich schon vor Jahren bei dem fetten Footballspieler namens Poindexter beobachtet hatten, wenn er sich zum Scheißen in den Wald hockte. Franny hatte ihre Kleider an, aber sie kam mir seltsam passiv vor, wie sie da in den Farnen saß (in die er sie hineingestoßen hatte, wie sie mir später erzählte) und sich die Hände vors Gesicht hielt. Frank schlug seine verdammten Becken gegeneinander - so fürchterlich laut, daß ich glaubte, über uns rase ein Flugzeug in ein anderes Flugzeug. Dann holte er mit der rechten

Weitere Kostenlose Bücher