Das Hotel New Hampshire
Hand aus und schlug das Becken Chipper Dove voll ins Gesicht. Einen so harten Schlag hatte der Spielmacher in der ganzen Saison noch nicht wegstecken müssen; es war deutlich zu sehen, daß er so etwas nicht gewohnt war. Und augenscheinlich behinderten ihn seine herabgestreiften Hosen. Ich stürzte mich sofort auf ihn, als er am Boden lag. Frank knallte pausenlos seine Becken gegeneinander - wie für einen rituellen Tanz, den unsere Familie immer inszenierte, bevor sie einen Feind abschlachtete.
Dove schüttelte mich ab, ganz so, wie der alte Kummer es immer noch schaffte, Egg wegzustoßen - mit einem kräftigen Stoß seines großen Kopfes -, doch der Lärm, den Frank veranstaltete, schien den Spielmacher zu lähmen. Dagegen schien er Franny aus ihrer vorübergehenden Passivität zu reißen. Mit ihrem geübten unwiderstehlichen Griff ging sie Chipper Dove an die Schamteile, und er reagierte mit den unsäglichen Bewegungen eines Todgeweihten, die Frank mit Sicherheit wiedererkannte - und die mich natürlich an die alte Geschichte mit Ralph De Meo erinnerte. Sie hatte ihn wirklich fest im Griff, und während er noch auf der Seite in den Tannennadeln lag und ihm die Footballerhose noch um die Knie hing, zog Franny das Suspensorium mit der Blecheinlage weit über die Oberschenkel herunter und ließ es dann wieder zurückschnappen. Eine Sekunde lang bekamen Frank, Franny und ich Doves kleine, verängstigte Schamteile zu sehen. »Und dann noch große Sprüche machen!« schrie Franny Dove an. »So ein Windbeutel!«
Dann mußten Franny und ich Frank davon abhalten, mit seinen rasselnden Becken immer weiter zu lärmen; es schien, als könnte der Krach die Bäume zum Absterben bringen und kleine Tiere aus dem Wald vertreiben. Chipper Dove lag auf der Seite; mit der einen Hand hielt er sich die Eier, mit der anderen hielt er sich das eine Ohr zu, zum Schutz gegen den Lärm; das andere Ohr preßte er gegen den Boden.
Als wir Dove verließen, um ihm Gelegenheit zu geben, sich zu erholen, sah ich seinen Helm in den Farnen und nahm ihn mit. In der Schlammpfütze auf dem Weg füllten Frank und Franny den Helm des Spielmachers mit Schlamm. Randvoll ließen wir ihn dort für ihn liegen.
»Scheiße und Tod«, sagte Franny düster.
Frank konnte nicht aufhören, seine Becken gegeneinanderzuschlagen, so erregt war er.
»Herrgott, Frank«, sagte Franny. »Hör bitte auf damit.«
»Tut mir leid«, sagte er zu uns. Als wir dann fast Zuhause waren, fügte er hinzu: »Und vielen Dank.«
»Vielen Dank auch von mir«, antwortete Franny. »Euch beiden«, und dabei drückte sie meinen Arm.
»Übrigens, ich bin wirklich andersrum«, murmelte Frank.
»Ich hab das wohl schon immer gewußt«, sagte Franny.
»Schon recht, Frank«, sagte ich, denn was soll man als Bruder schon anders sagen?
»Ich habe mir schon überlegt, wie ich es euch am besten beibringe«, sagte Frank, und Franny meinte: »Das war jedenfalls eine putzige Tour.«
Sogar Frank lachte; ich glaube, es war das erste Mal, daß ich Frank lachen hörte, seit Vater damals im dritten Stock des Hotels New Hampshire die Mini-Toiletten entdeckte, unser »Elfenklo«.
Wir fragten uns manchmal, ob das Leben im Hotel New Hampshire immer so aussehen würde.
Wichtiger schien allerdings die Frage, wer unsere Hotelgäste sein würden, wenn wir erst einzogen und den Hotelbetrieb aufnahmen. Je näher dieser Zeitpunkt rückte, desto eindringlicher vertrat Vater seine Theorien von einem perfekten Hotel. Er hatte im Fernsehen ein Interview gesehen, mit dem Direktor einer Hotelfachschule - in der Schweiz. Der Mann sagte, für ein neues Hotel liege der Schlüssel zum Erfolg darin, sich möglichst schnell eine regelmäßige Folge von Vorbestellungen zu sichern.
»Vorbestellungen!« schrieb Vater auf einen Pappdeckel aus einer Hemdenverpackung und befestigte ihn am Kühlschrank in Mutters künftigem Ex-Familiensitz.
Mit »Guten Morgen, Vorbestellungen!« begrüßten wir uns morgens zum Frühstück, um Vater zu hänseln, aber er nahm die Sache ganz ernst.
»Ihr lacht«, sagte er eines Morgens zu uns. »Aber zwei hab ich schon.«
»Zwei was?« fragte Egg.
»Zwei Vorbestellungen«, sagte Vater geheimnisvoll.
Wir hatten vor, an dem Wochenende zu eröffnen, an dem das Spiel gegen Exeter stattfand. Wir wußten, das war die erste »Vorbestellung«. Jedes Jahr beschloß die Dairy School ihre klägliche Footballsaison mit einer deftigen Niederlage gegen eine der großen Schulen wie Exeter oder
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