Das Hotel
flüchtig über das Foto schweifen, ehe er ihn erneut auf Felix richtete.
» Nein«, sagte er und spuckte erneut aus.
» Ich zahle für Informationen.« Felix senkte die Stimme. » Ich habe viel Geld.«
» Dann kaufen Sie sich davon ein paar Ohrenreiniger. Ich habe das Mädchen noch nie gesehen.«
Felix nahm den Finger vom Schein, drehte das Foto um und starrte es an.
Wie jedes Mal, wenn er sie sah, biss er die Zähne zusammen und glaubte ihre Stimme zu hören, auch wenn ihre letzte Nachricht an ihn nur aus einer SMS bestanden hatte.
F – schläfst wohl schon. Bin in unheimlicher pension, kein hotel. Lange geschichte, aber umsonst – mehr für unsere Hochzeitsreise :) HASE , ILD – M.
Er kam in Versuchung, sich die Nachricht auf dem Handy anzuschauen, zum zehntausendsten Mal. Dann würde er sicher noch einmal ihre Handynummer wählen, nur um ihre Mailbox-Ansage zu hören. Es machte ihm nichts aus, weiterhin die monatlichen Kosten zu tragen, obwohl Marias Konto seit zwölf Monaten nicht mehr benutzt worden war.
Der Barkeeper kam mit dem Wechselgeld zurück. Felix nahm es entgegen, ließ das Bier stehen und stand auf, um zu gehen.
In wie vielen Bars war er wohl schon gewesen? In fünfzig? Oder sechzig? Dazu kamen die Restaurants, Tankstellen, Motels, Privathäuser, und so kam er auf über einhundert Adressen, bei denen er nachgeforscht hatte.
Viele blieben nicht mehr übrig.
Und was dann? Aufgeben? Sie endlich für tot erklären und ihr die Beerdigung gewähren, die sich ihre Eltern bereits seit Weihnachten wünschten?
Nein, Felix würde Maria nicht einfach aufgeben. Niemals. Sobald er jeden einzelnen Laden, jede einzelne Kneipe, jedes einzelne Haus in einem Umkreis von hundertfünfzig Kilometern abgeklappert hatte, würde er eben wieder von vorne anfangen und es noch mal versuchen.
Irgendjemand musste schließlich etwas über das Rushmore Inn wissen.
Falls es überhaupt existierte.
Felix trat in die Nacht hinaus und rollte dabei den Kopf von einer Schulter zur anderen, um die Muskeln zu entspannen. Der Parkplatz vor der Kneipe war nicht geteert, und der Kies unter seinen Füßen knirschte wie frisch gefallener Schnee.
Er blickte über die Straße hinweg in Richtung des dunklen Walds.
Die Frau, die ich liebe, muss irgendwo hier sein.
Nachdem Maria verschwunden war, hatte er sämtliche konventionellen Wege auf der Suche nach ihr beschritten: die Polizei, das FBI , Flugblätter, Poster, ausgesetzte Belohnungen. Er hatte sogar einen Privatdetektiv engagiert.
Das Einzige, was er damit erreicht hatte, war es, seinen Job zu verlieren. Aber das stellte sich sogar als nützlich heraus, denn von da an hatte er mehr Zeit, um sich ganz und gar der Suche zu widmen.
Leider würde sein Arbeitslosengeld demnächst auslaufen, und die einzige Spur, die er ausgemacht hatte, stammte von einem betrunkenen Alten, der etwas über eine Pension namens Rushmore Inn gemurmelt hatte.
» Soll irgendwo hier in der Nähe sein, aber niemand weiß genau, wo. Oder diejenigen, die es wissen, hüten das Geheimnis. Es ist eine komische Sache, die Leute nehmen dort ein Zimmer, kommen aber nie wieder heraus.«
Felix stellte ihm weitere Fragen, aber die Antworten wurden immer wirrer. Er faselte etwas von fürchterlichen Ritualen und Geburtsfehlern, merkwürdigen Familienverhältnissen und Blutgruppen. Dann verlor er mitten im Stammeln das Bewusstsein, während er noch auf dem Barhocker saß. Als ihn Felix am nächsten Tag aufsuchte – er hatte die Adresse vom Führerschein des Mannes –, war der Alte nicht aufzufinden.
Als nachmittags ein Polizist auftauchte, erfuhr Felix schließlich, dass es einen Autounfall gegeben hatte. Felix hatte den angeblichen Unfallort genau unter die Lupe genommen. Die Blutspur war über einen halben Kilometer lang gewesen, als ob jemand dem Mann ein Lasso umgelegt hätte und so mit ihm spazieren gefahren wäre.
Felix holte tief Luft. Sie war sauber und frisch, besaß aber auch einen bitteren Beigeschmack. Felix hasste die Landluft, er hasste die Bäume, die Berge, den klaren Himmel und die herrlichen Sonnenuntergänge. Falls er Maria finden sollte, würde er die Stadt nie wieder verlassen.
Nicht falls, sondern wenn , korrigierte er sich. Es ist nur eine Frage der Zeit.
Mit diesem Gedanken stieg er in seinen Pick-up, den er gekauft hatte, um in dieser Gegend nicht zu sehr aufzufallen. Das Gleiche galt für sein Flanellhemd, die Arbeitsstiefel und den Dreitagebart. Er holte die Landkarte hervor und
Weitere Kostenlose Bücher