Das Hotel
zusammenzureißen.
Aber wenn ich dasselbe wie er durchgemacht hätte, würde ich vielleicht auch ab und zu wegtreten.
Doch der Enthusiasmus, den er beim Brechen von Johns Fingern an den Tag gelegt hatte, war definitiv nicht normal. Willentlich einem anderen Menschen Schmerz zuzufügen – selbst wenn es sich um einen Kidnapper und Vergewaltiger handelte – war und blieb übel.
» Das wird schon«, sagte Felix, mehr um sich als Cam zu beruhigen.
» Das glaube ich nicht«, erwiderte Cam. » Ich glaube, er bringt uns irgendwohin, um uns zu töten.«
Die nüchterne Art, mit der Cam diesen Satz äußerte, war geradezu unheimlich.
» Er ist Polizist. Das wird er nicht tun.«
» Er hat sich aber nicht auf der Station gemeldet«, gab Cam zu bedenken.
» Das hier ist ein kleines Kaff. Da gibt es wahrscheinlich niemanden, bei dem er sich melden könnte.«
Cam schüttelte den Kopf. » Er ist nicht der einzige Polizist im Landkreis, es gibt noch andere. Mord ist hier eine heftige Sache, und trotzdem hat er niemanden kontaktiert. Weder die Station noch den Untersuchungsrichter. Das heißt, dass er uns umbringen wird.«
Felix wurde es eiskalt. Er war sowohl körperlich als auch mental am Ende. Alles tat ihm weh, und seine Gedanken kreisten ständig um Maria. Die Androhung, dass er bald sterben sollte, war einfach zu viel.
» Mach dir keine Sorgen«, beschwichtigte ihn Cam. » Es ist gar nicht so schlimm.«
Felix kicherte beinahe hysterisch. » Was soll nicht so schlimm sein?«
» Sterben«, antwortete Cam.
Er wird es wissen.
Der Wagen wurde langsamer. Felix blickte sich um, sah aber nichts außer dem dunklen Wald. Ihm stockte der Atem.
Er glaubte kaum mehr Luft zu bekommen, als der Wagen von der Straße mitten in den Wald abbog.
» Sheriff«, flehte Felix. » Bitte tun Sie das nicht.«
» Junge, ich kann gar nicht beschreiben, wie ungeheuer ihr die letzten Monate genervt habt. Den Einheimischen auf den Wecker zu gehen, eure Nase in Angelegenheiten zu stecken, die euch nichts angehen – und das alles wegen einer beschissenen Frau.« Der Sheriff starrte Felix durch den Rückspiegel direkt in die Augen. » Andere Mütter haben auch schöne Töchter. Hat dir das deine Mama nie verraten?«
» Lebt sie noch?«
» Verdammt, natürlich lebt sie. Ich habe sie erst vor ein paar Wochen gesehen, mir meine Bluttransfusion abgeholt und sie dann vernascht. Lass dir gesagt sein, die Braut ist am Ende. Liegt einfach nur da und heult. Ich verstehe nicht, warum du so scharf darauf bist, sie zurückzuhaben.«
Statt Angst ergriff Felix nun blinde Wut. Er rammte den Kopf gegen die Plexiglasscheibe zwischen dem Sheriff und ihm, zog sich aber lediglich eine Platzwunde an der Stirn zu.
» Vorsicht, Junge. Du solltest deine Kräfte sparen. So ein kräftiger Bursche wie du. Ich halte nicht viel von Sodomie, aber manche meiner Brüder denken da anders. Für die ist eine Möse eine Möse. Wenn du dich weiterhin so ungestüm aufführst, wirst du keine Woche bei meiner Familie überleben.«
Felix lehnte sich zurück. Unter den Tausenden von Albtraum-Szenarios, die er sich ausgedacht hatte, um Marias Verschwinden zu erklären, war ihm nie etwas derart Fürchterliches in den Kopf gekommen.
Das Auto fuhr über eine Bodenwelle, und Cam und Felix wurden leicht nach oben getragen. Wenn Cam doch nur zu seiner Rechten gesessen hätte. Vielleicht wäre er dann imstande gewesen, die Schlüssel für die Handschellen aus Felix’ Tasche zu holen. Aber Cam saß auf der falschen Seite, und so würde er es nicht schaffen, sie zu erwischen – insbesondere nicht, wenn sie der Sheriff alle paar Sekunden im Rückspiegel beobachtete. Außerdem hatte Felix es selbst versucht, seit er im Auto saß, war aber nicht einmal annähernd in die Nähe der Schlüssel gekommen.
Nicht, dass es wirklich einen Unterschied bedeutete. Der Sheriff war bewaffnet. Selbst wenn Felix und Cam irgendwie fliehen konnten, würden sie nicht weit kommen.
Der Polizeiwagen hielt an. Felix zermarterte sich den Kopf, um einen Ausweg aus dieser Misere zu finden. Er warf Cam einen hastigen Blick zu. Es war kaum zu fassen, aber der Junge schien ganz ruhig zu sein, als ob er sich auf einer Spazierfahrt befinden würde.
Was zum Teufel ist bloß los mit ihm?
» Wir sind da. Benehmt euch. Wenn ich wütend werde, fange ich an, Knochen zu brechen. Verstanden?«
Der Sheriff stieg mit gezückter Pistole aus und öffnete die Tür. Felix kletterte als Erster aus dem Auto. Er starrte auf den
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