Das Hundehotel
nachgelassen hatte und wir alle wußten, wo wir standen, ging alles mehr oder weniger reibungslos. Ruthless paßte sich an (weil sie mußte, obgleich es ihr schwerfiel), und nur in den ersten Tagen machte sie einen großen Bogen um Frilly, paßte jedoch genau auf, was die tat. Als sie festgestellt hatte, daß die kleine Katze keine Bedrohung war, weder eine physische noch eine emotionale, ignorierte sie sie fast völlig. Als sie abgeholt wurde, war sie selbstsicher und sogar ein bißchen aggressiv. Ich dachte sogar, sie würde das Bein heben, ehe sie ins Auto sprang.
Stolz erzählte ich Hetty die ganze Geschichte. Ich fand, sie würde mein Talent beweisen und ihren Glauben an meinen therapeutischen Scharfsinn bekräftigen. Ich sagte ihr auch, sie irre sich mit dem Überlebensinstinkt von Katzen, weil wir einmal einen Siamesen gehabt hätten, der in eine heiße Bratpfanne mit Speck gesprungen sei und lieber Currypulver als Fischköpfe gegessen habe. Er wollte nur in geschlossenen Schubladen schlafen und mußte jeden Abend in den Schreibtisch geschoben werden, so daß ich mich gezwungen sah, frühmorgens hinunterzuschleichen und nachzuschauen, ob er nicht erstickt war. Dann erklärte ich, falls ich später in den Buckingham-Palast zitiert werden sollte, um die Welsh-Corgis dort auf den rechten Weg zurückzubringen, würde ich Ihre Majestät einfach überreden, sich statt dessen Yorkshire-Terrier anzuschaffen.
«Ich weiß, es klingt kindisch, aber verstehst du, es würde das Personal und unser Verteidigungsprogramm ungeheuer entlasten. Alle diese angeknabberten Posten, und was das Nationalitätenproblem betrifft, so hat man die Waliser schon viel zu lange bevorzugt...» Aber Hetty gähnte und sagte: «Du läßt dich gern von deiner eigenen Begeisterung hinreißen, nicht wahr? Ben schreit sich wegen irgendwas die Kehle aus dem Hals und...»
Ben schrie gerade: «... jemand hat auf die Brücke in der Diele gebrochen!» Ich kehrte mit einem Feudel zur Erde zurück.
Hetty sah mir zu. «Ich möchte, daß sie lernen, zu Hause zurechtzukommen. Im normalen Alltag.» Ich zog die Augenbrauen hoch. «Nichts Verrücktes.» Ich lachte dumpf. Auf dieser Gesundheitsfarm war nichts verrückt. Aber normaler Alltag? «Nur die entspannte Atmosphäre, die du geschaffen hast. » Ich schwang meinen Eimer, und sie sprang schnell einen Schritt zurück.
Als ich die Brücke über die Leine gehängt hatte, ging ich wieder ins Haus und bekam gerade noch mit, daß Ben Hetty von den Tonbandaufnahmen erzählte, die er neuerdings von den Hunden machte. «Komisch, wenn man darüber nachdenkt. Sie haben Jahrhunderte Zeit gehabt, um wenigstens ein bißchen von unserer Sprache aufzuschnappen, man sollte also meinen, daß sie wenigstens fragen können, wie spät es ist. Ich war nur zehn Tage mit der Klasse in Frankreich, und ich konnte schon nach einem Tag auf französisch und sagen.» Wenn das alles war, was er gelernt hatte, dann hatten die Hunde recht, sich keinerlei Mühe zu geben, fand ich. Sie brauchen sowieso nicht zu wissen, wie spät es ist. Die Uhr überlassen sie uns. Ich sah allmählich, daß in Hunden eine Menge mehr steckte als Knochen und Kläffen.
«Ich werde meine Ergebnisse jedenfalls studieren», sagte Ben wichtigtuerisch. «Vieles muß aber noch geklärt werden. Wenn Leute kommen, bellen sie dann zur Begrüßung oder als Drohung? Oder beides? Oder nacheinander? Und wenn ja, wer wird wie angebellt — und warum?» Ich sagte, die meisten Besucher bellten überhaupt nicht.
Aber er hatte im Moment keinen Sinn für vorlaute Bemerkungen, so daß Hetty und ich zu ihrem Auto gingen, wo mein erster stationärer Patient wartete. Hetty sagte: «Ben hat nicht ganz unrecht, findest du nicht auch?» Sie klang amüsiert. «Was für ein Hund ist das hinter ihm?»
«Der Collie? Das ist Pathos, ein köstlicher Hund. Sein Besitzer nannte ihn Pathos, weil er dachte, einer der drei Musketiere heiße so. Erst Jahre später stellte er fest, daß er in Wahrheit Porthos hieß. Aber der Name paßt trotzdem. Er entkam dem Tod in einem Hundeasyl, als seine Zeit gerade abgelaufen war, genau wie in einem Schauerstück von Alexandre Dumas. Er braucht ständig jemanden um sich herum, sonst fühlt er sich nicht sicher, und er hat Ben gewählt. Ben mag ihn ebenfalls. Er schläft in seinem Zimmer. » Ich wollte sagen, der Hund schlafe in Bens Zimmer, aber in diesem Haus lief es auf das gleiche hinaus.
Ich weiß nicht, was für
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