Das Hundehotel
keines hatte? Sah er denn nicht, daß es hier alle gut mit ihm meinten?
Ben fragte nach dem Abendessen. Tagsüber aßen wir wann, wo und was wir wollten, aber der Abend verlangte etwas Offizielleres, und bis vor ein oder zwei Tagen hatte ich immer ein Essen mit richtigen Beilagen auf den Tisch gebracht. Dann, vor ein paar Tagen, sagte Ben plötzlich, nachdem er mir zugesehen hatte, er würde auch gern mal kochen. Wie es mit morgen abend wäre. Ich willigte sofort ein. Ich ließ ihn allein in der Küche wirken und staunte über das Mahl, das er zustande brachte, obgleich es beinahe zehn war, als wir endlich Messer und Gabel in die Hand nehmen konnten. Rot vor Stolz und Weinprobieren (es gab Coq au Vin) bot er mir an, von nun an immer zu kochen - oder jedenfalls, bis er keine Lust mehr hatte, und das, nahm ich an, würde der Fall sein, sobald der Reiz des Neuen verflogen war. Aber wer sieht einem geschenkten Gaul ins Maul, wenn es voller Heu ist?
Als Ben einen Umzugskarton mit Kochbüchern durchwühlt hatte, war er auf einige Schmöker mit anderen Themen gestoßen, zum Beispiel auf einen mit dem anspruchsvollen Titel . Ich fand es auf dem Gemüsebord wieder. Ich setzte mich auf den Boden und schlug Chihuahua auf.
Die Abbildung bestätigte zumindest Jumbos Herkunft. Südamerikanische Damen, las ich, pflegten die winzigen Hündchen mit dem Kopf nach hinten unter dem Arm zu tragen, damit unwillkommene Caballeros, die ungesehen Annäherungsversuche machten, durch wohlgezielte Bisse in empfindliche Körperteile abgeschreckt wurden. Es schien einen Zusammenhang zum gegenwärtigen Problem zu geben. Außerdem bewies es die Theorie, daß Hunde, die in längst vergangenen Zeiten für bestimmte Zwecke gezüchtet worden sind, den betreffenden Instinkt nie ganz verlieren und auch unter völlig anderen Umständen entsprechend reagieren können. So daß Arbeitshunde selbst in unserer Epoche des Müßiggangs gern arbeiten. Und Hunde, deren Vorfahren auf Menschen abgerichtet wurden, kaum etwas dafür können, wenn sie den Mann von nebenan zu Boden werfen, der sich nur einen Flaschenöffner leihen wollte. Sogar Schoßhündchen wie Jumbo haben also den angeborenen Drang, ihre Zähne in fremdes Fleisch zu schlagen, wenn auch nicht unbedingt in das von zudringlichen Caballeros.
Das Dumme war, daß der Verfasser nicht den kleinsten Tip gab, wie man den Impuls auf friedliche Ziele umdirigieren könnte.
Ich warf noch einen Blick in den Karton und entdeckte das Tierbuch von Dr. Foster wieder. Sein Ansatz war realistisch, seine Ratschläge waren drastisch. Ich hatte früher schon einige mit sehr guten Ergebnissen befolgt. Ich schlug Kapitel 5 auf, Hunde, und dann einen Abschnitt mit der Überschrift Rassen. Jede Rasse hatte eine Rubrik «Häufige Probleme», mit Ursachen und Therapien, a) physische und — nicht zu glauben - b) seelische. Das Buch war 1904 erschienen. Dr. Foster muß seiner Zeit sehr weit voraus gewesen sein, wenn er auch nur erwogen hatte, Hunde könnten eine Seele haben.
Ich konnte mein Glück nicht fassen. Das war die Rettung, das Fundament meines künftigen Erfolgs als Tieranalytikerin. Erleichtert und zuversichtlich lehnte ich mich zurück und stützte mich auf einen Ellbogen hoch.
Er erläuterte seine Behandlungsmethoden an Hand von Fallgeschichten. Unter «Seelische Ursachen und Therapien» stand: «Ein Herr aus meiner Bekanntschaft brachte mir unlängst seinen außergewöhnlich bösartigen Hund, eine sonderbare Kreuzung von Elch und Pointer, und bat mich, mein Wissen und meine Erfahrung zu benutzen, das Tier zur Räson zu bringen. Ich schlug vor, mir den Hund für mehrere Tage zur Beobachtung und Behandlung zu überlassen» (He! War ich nicht der erste Hundepsychiater?), «und zum Glück, zu meiner Erleichterung sogar, möchte ich sagen, willigte er ein.»
Unten auf der Seite, die sehr klein gedruckt war, sah ich die Worte «vollkommene Heilung» und kam zu dem Schluß, die Abhandlung sei zu wichtig und ausführlich, neben einem alten Karton mit der Aufschrift «Lux flüssig» auf dem Küchenfußboden gelesen zu werden. Ich ging mit dem Buch in die Garderobe, wo relativer Friede der Konzentration förderlich ist. Ich mache mir nicht viel aus Klos, die aussehen wie Vorzimmer von Boudoirs der Belle Epoque, und ich versuche auch nicht, mein Badezimmer zur Bräunungshalle umzufunktionieren. Dann lieber gleich nach Mallorca. Die Zeit wird kommen, wo man die Modeklosetts vergessen und
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