Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hundehotel

Das Hundehotel

Titel: Das Hundehotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Cooper
Vom Netzwerk:
bleiben.»
    Er half mir beim Aufsetzen. Ich dachte, ich müsse verheerend aussehen. Er war braun gebrannt und duftete schwach nach Meer.
    Mein Kopf, meine Schultern und mein Bein taten entsetzlich weh. «Oooh!» stöhnte ich.
    «Hetty sagt, es ist nichts gebrochen, aber sie schickt sicherheitshalber ihren Hausarzt her.»
    «Hetty?» Was hatte Hetty damit zu tun? Aber war sie nicht immer zur Stelle, wo was los war? Jedes Drama, jedes Trauma schien sie aus ihrem Bau zu locken wie einen neugierigen Dachs. Nein, das ging zu weit. Sie war wie ein unerwartetes Geschenk erschienen. Was hätte ich ohne Hetty angefangen? Sie war offenbar gekommen, als man mich aus dem Farbtümpel gerettet hatte.
    «Ist sie nicht großartig?» fragte Pa.
    Ich nickte. Der Tee aus meiner alten Kanne war herrlich, ganz anders als aus der Kaffeekanne. Lindernd, aber zugleich anregend. Hetty hatte mich gesäubert, zu Bett gebracht und die Räumarbeiten im Katastrophengebiet geleitet. Leichte Gehirnerschütterung und Prellungen, habe sie gesagt.
    «Wirklich kein Bruch?» fragte ich etwas schnippisch. Er wurde rot.
    «In Wahrheit lag es mehr daran, daß ich mir hier unerwünscht vorkam», gestand er. «Ich sah, daß ich nur im Weg sein würde. Es schien sinnvoller zu sein, das Ende der Behandlung abzuwarten, die Rehabilitation und all das, damit auch mein Knöchel wieder in Ordnung ist und ich dir nicht zur Last falle.» Hatte ich etwa so geklungen? Aber das spielte jetzt alles natürlich keine Rolle mehr. Wir brauchten keine Gründe, keine Entschuldigungen oder Erklärungen, und außerdem hatte er wahrscheinlich sowieso recht. In einer echten Beziehung braucht man sich nichts vorzumachen. Das einzige wahre Band zwischen Liebenden ist die Freiheit.
    «Ich stehe auf, wenn ich fertig bin», sagte ich und dachte etwas anderes. Ben hatte die Kruste vom Toast geschnitten, die Butter zu Kügelchen geformt, den Eierbecher mit Primeln umkränzt. Ich hatte keinen Appetit, aber das Tablett kam mir äußerst zupaß. Tränen fielen in die Marmelade. «Es ist nichts», sagte ich und wischte sie mit der rosa Serviette ab, «nur die Rührung und all das, was du für mich getan hast. » Ich schniefte. «Warum hast du nicht Bescheid gesagt, daß du nach Hause kommst?»
    «Ich wollte dich überraschen.»
    «Und nachsehen, ob der Tauflöffel noch da ist.»
    «Vielleicht. Aber ich glaube, es war hauptsächlich, weil du mir so sehr gefehlt hast.»
    «Aber erst neuerdings. » Ich wollte natürlich noch mehr Balsam.
    «Die ganze Zeit.» Nun, wie er mir. «Ich kam mir nur irgendwie ungleich vor. »
    «Ungleich? Was heißt das?»
    «All die Hektik.» Wovon redete er bloß? Es war hier
    doch so friedlich. Dann höre ich es, das Bellen, das Rufen, das Schnattern und Kreischen, das Radio, das Lachen - das Leben. Ein Hintergrund, so vertraut, daß er für mich schon lange so selbstverständlich war wie Atmen. «Gib das Ei bitte Mattie und das Brot den Vögeln. Ich kann nichts essen, wirklich nicht. Aber Ben und Emily sollen es nicht merken. »
    Ich legte mich zurück und schloß die Augen. Ich hörte auf, die Zwinger mit den Äpfeln, Kräutern, Tomaten und Lilien der fernen Vergangenheit in eine Reihe zu stellen. «Gibt es einen Platz auf Erden, wo einen die Steuern nicht auffressen?»
    «Komisch», sagte er eifrig, schob das Tablett fort, setzte sich aufs Bett und gab mir einen Kuß. «Ich hab hier eine Annonce, über eine kleine Insel vor der Küste, die anscheinend nicht unter britische Steuerhoheit fällt. Sie suchen einen Pächter, der bereit ist, Hanf anzubauen und Tang zu sammeln.» Es klang irgendwie dubios.
    Er begann, die Anzeige und den daran geklammerten Briefwechsel zu studieren.
    «Nein», sagte ich fest und sah durch die Balkontür zur Autostraße hinunter. Aus einem bestimmten Grund, den ich wahrscheinlich erst morgen würde formulieren können, hatte ich keine Lust mehr, sie entlangzufahren, zu Inseln vor der Küste oder den Lichtern der Großstadt. Nicht jetzt. Womöglich nie. Ich wollte bleiben, wo ich war, und Zusehen, wie die anderen vorbeisausten auf der Suche nach dem Goldschatz am Ende des Regenbogens.

Weitere Kostenlose Bücher