Das Hundehotel
nicht ertragen, wie sie ihn angifteten, wenn er schmollend in einer Ecke hockte, und wie sie auf ihn zusausten und nach ihm hackten. In den ersten Tagen ließ er eine ganze Menge Federn, und da ich fürchtete, es könnte ein schlimmes Ende nehmen, sah ich mich genötigt, etwas zu unternehmen. Jetzt saß er allein in seinem Käfig und blies Trübsal, während die anderen drei ihn aus der Voliere ankeiften. Ich fragte mich, was er wohl haben mochte. Da ich jetzt Tierpsychiater war, hätte ich ihn analysieren sollen, aber vor Sittichen schreckte ich noch zurück.
Ben mochte Clancy sehr. Sie plauderten dann und wann ein Weilchen, aber Ben war zu sehr mit seiner Hunde-Hitparade beschäftigt. Er stellte sie jede Woche auf und heftete sie an die Schranktür. Meist stand Rover an erster Stelle - unser ältester Gast und nicht mehr fähig, Punkte zu verschenken, indem er die Hühner jagte oder Baby anbellte. Die Preise bestanden aus Schokodrops.
Der Hochsommer lag schon eine Weile zurück. In ein paar Wochen war Michaeli, aber die Sonne schien nicht aufgeben zu wollen. Die Ferien gingen zu Ende, und wenn immer weniger Gäste kamen, trafen dafür wenigstens mehr Schecks ein. Auf Bubbles’ Wiese hatten wir noch einen Esel, der ein Dauergast zu werden versprach. Ich hatte nur zwei Bewerber abgelehnt, einen Affen und eine Schlange. Mir schwante, daß sie Schwierigkeiten machen würden, und mein Selbsterhaltungstrieb war stärker als die Liebe zum Geld.
Marsha war in Marokko gewesen, mit einem «süßen Knaben mit tollen Schuhen», wie sie mir erzählte. Ich meinte, es klinge, als wären sie aus Satin und mit Brillanten besetzt, aber sie sagte ziemlich sauer, er stelle Schuhe her, ich käme mir wohl sehr originell vor, wie? Er sei zuerst mit ihr Shopping gegangen und habe sie überschüttet mit Pucci und Gucci und Fiorucci... Wir lachten beide, aber ich hörte einen bedauernden Unterton heraus. Abrupt sagte sie plötzlich, sie würde viel lieber zu mir kommen und helfen. «Er ist nicht sehr lustig», meinte sie bekümmert. «Was kann man schon von Schuhfabrikanten erwarten?»
Ich wies nicht darauf hin, daß sie ja niemand gezwungen hätte mitzufahren. Sie mußte einfach fahren. Ihr Leben verlief in jener Bahn, meines in dieser. Das ist Schicksal.
Ich berichtete ihr dann noch einmal von meinem Erfolg bei Smudge, aber es war nichts gegen jemanden, der Erfolg bei Bürschchen mit tollen Schuhen, Trompetern und Group-Boys hatte, wie sie sich ausdrückte. Ganz oben wird die Luft natürlich dünn. Es ist schwer, immer ein Stück weiter zu sein als die anderen.
Rajah war der fetteste Cockerspaniel, der nicht im Guinness Buch der Rekorde stand. Hetty führte ihn langsam den Gartenweg hoch, und sein Bauch streifte fast den Boden.
«Das kommt vom Rassismus», sagte sie entrüstet. «Sie brachten ihn zu mir, weil seine Krallen nach innen wuchsen. Sein Glück, sonst hätte er sich endgültig totgefressen. »
«Wieso Rassismus?» fragte ich. Ich beugte mich nach unten und streichelte ihn. Er schnaufte wie eine Lokomotive. Seine Augen waren trübe, sein Fell glanzlos.
«Sie hatten früher immer Windhunde - ließen sie sogar bei Rennen laufen. Irgend jemand schenkte ihrer kleinen Tochter dann den Spanielwelpen. Er ist einfach unter ihrer Würde. Sie scheinen es auf eine perverse Art zu genießen, ihn mit Futter vollzustopfen und sich dann an ihre schlanken Rassehunde zu erinnern. Sie sind eigentlich nicht grausam, sondern unbedacht, wie viele Hundebesitzer. Außer dem Mädchen, sie betet Rajah an. Er ist ihr ein und alles, weil die Eltern fast nie da sind. Sie sind beide berufstätig. Sie hat übrigens ein verkrüppeltes Bein und kann schlecht gehen. Das ist eine große Enttäuschung für die Eltern, und sie nehmen ihr die Liebe zu dem Hund unbewußt übel. Ich habe irgendwie den Eindruck, daß es mit diesen emotionalen Problemen zusammenhängt. Du wirst vielleicht dahinterkommen. Er muß eine Menge abnehmen und darf nicht mehr soviel schlafen. Das klingt ganz leicht, aber es geht natürlich nicht von heute auf morgen. Außerdem wird es ihm nicht gefallen. »
Sie sah mich an. Hetty wußte, was in mir vorging, wenn ich einen Hund «zu seinem eigenen Besten» der geliebten Schmankerln zwischendurch berauben mußte. Schon bei Menschen ist das schwer genug, obgleich man es ihnen erklären kann, aber bei einem Tier, das Futter ebenso als Beweis unserer Zuneigung betrachtet wie ein gelegentliches Kraulen, kann es eine schreckliche seelische
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