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Das Hundehotel

Das Hundehotel

Titel: Das Hundehotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Cooper
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Mund. Etwas im Mund... etwas, das Hetty übersehen hatte, als sie seine Zähne untersuchte und für gesund befand.
    Ich nahm eine Taschenlampe und knipste sie an. Dann sagte ich: «Tut mir leid, mein Kleiner, aber es muß sein. Es tut vielleicht ein bißchen weh, aber es dauert nur eine Sekunde. » Wie der Onkel Doktor zu kleinen Patienten.
    Smudge leistete kaum Widerstand. Er war zu schwach. Ich steckte einen Finger hinein und fand hinten im Mund seine Zunge. Ich wagte kaum weiterzumachen, aber ich überwand mich und tastete vorsichtig den Raum zwischen Zähnen und Kiefer ab, und er zuckte zusammen. Mein Finger berührte etwas Weiches, Langes - Wolle! Ein Wollfaden! Ich fuhr daran entlang bis zum Ende des Kiefers -und hatte, was ich suchte.
    Kein Entdecker, der Land am Horizont sichtete, war jemals aufgewühlter. Meine Finger arbeiteten sich unendlich behutsam vor, meine Hand zitterte nur ganz wenig vor Aufregung. Die Operation war unendlich heikel. Eine falsche Bewegung und alles mögliche konnte passieren. Ich war an der Schwelle zwischen Leben und Tod. Und dann hatte ich es geschafft. Ich zog eine kurze Nähnadel mit einem braunen Wollfaden aus seiner Schnauze. Wir zitterten beide heftig.
    Ich drückte den Patienten an mein Gesicht, und meine Tränen benetzten sein Fell. Dann lehnte ich mich zurück und beobachtete, wie er zu schlucken versuchte, sehr langsam, als wäre es das erste Mal. Der Schwanz bewegte sich schwach, aber freudig. Ich setzte ihn in sein Körbchen, und er leckte mir die Hand. Das Leben kehrte zurück in die braunen Augen: Die Erlösung von der Pein bewirkte mehr, als jede medizinische Behandlung je hätte erreichen können.
    Die Zunge würde noch eine Weile wund und zerstochen sein und weh tun, aber sie würde verheilen. Ich rannte nach unten und holte einen Napf mit Wasser, das Gehackte und ein Hähnchen aus der Dose, das ich für große Feste parat hielt. Konnte es ein größeres Fest geben?
    Er aß, nur winzige Bissen zur Zeit, sehr langsam, aber der Teller wurde leer. Die Milch mit Ei, die dann an der Reihe war, bereitete ihm weniger Mühe. Ich wusch seine Schnauzhaare, spülte seine Augen, bürstete behutsam das zottige Fell und die Ohren. Ich kam mir vor wie Christiaan Barnard nach der ersten Herztransplantation.
    Doch nun zu Hetty. Dies war mein großer Augenblick, der Beweis, daß ich sie übertroffen hatte. Endlich.
    Ich betete, daß sie zu Hause sein würde, aber ihre Sprechstundenhilfe nahm ab. Hetty war zu einem Notfall gerufen worden.
    Beiläufig sagte ich: «Richten Sie ihr aus, sie möchte bitte zurückrufen, wenn sie einen Augenblick Zeit hat?»
    «Geht es um Smudge?»
    «Ja. Wenn sie morgen kommen könnte, um ihn sich anzusehen?»
    «Sie geben auch auf?»
    «Das hat sich erübrigt. »
    «Sie meinen, er ist tot?»
    Ich frohlockte, konnte kaum reden. Doch ich faßte mich wieder und sagte betont gelassen: «Nein. Er ist geheilt...»
    «Wie... was? Er ist was?» Ich hatte zwar nicht Hetty am Apparat, aber es war trotzdem Balsam, das Gefühl höchsten Triumphs.
    «Er hat eben sein Abendessen gefressen - gehackte Zunge.» O Gott, wie hatte ich so taktlos sein können! «Und Hähnchen und ein geschlagenes Ei mit Milch. Ich will langsam anfangen, weil man seiner Verdauung noch nicht zuviel zumuten sollte. »
    «Er frißt?»
    Ich wurde ungeduldig. «Ja, das sage ich doch die ganze Zeit. Natürlich keine Schlagsahnetorte, aber vielleicht einen Likör zum Kaffee. »
    «Das ist doch nicht Ihr Ernst?»
    «Nein, jedenfalls nicht der Likör. Ich finde, Vierjährige sollten noch keinen Alkohol kriegen, aber ich glaube nicht...»
    «Wie, was meinen Sie? Einen Moment bitte, ich glaube, sie kommt gerade. »
    Eine Tür fiel ins Schloß, und ich hörte aufgeregtes Getuschel, ehe Hetty ans Telefon kam und sagte: «Ich hab dir ja gesagt, du würdest es schaffen, oder?» Sie war ganz ruhig. «Ich dachte nur, es würde etwas länger dauern.» Sie fragte nicht mal, was ich gefunden hatte.
    Ich war erst um zwölf im Bett. Nichts war erhebender, als dazusitzen und zuzusehen, wie Smudge sich immer mehr erholte: Er schlief friedlich, trank ein paar Schluck Wasser, machte mutig, wenn auch auf wackeligen Beinen, einen kleinen Gang um die Terrasse. Und dabei lächelte er mich die ganze Zeit an, sagte mir mit seinen Blicken und seinem Schwanz, wie dankbar er war. Es gibt nichts Traurigeres als ein krankes Tier. Selbst ein Kind kann auf Schmerzen hinweisen, Beschwerden ausdrücken und sich mit lautem Protest

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