Das Hundehotel
können wir nichts mehr machen. »
«Was versuchen?» rief ich beinahe außer mir.
«Einfach versuchen», sagte Hetty. «Ich habe ihnen versprochen, du würdest es versuchen. Du bist ihre letzte Hoffnung. » Damit verschwand sie.
An jenem ersten Abend lag Smudge apathisch auf einer dicken Wolldecke in seinem Korb am warmen Herd und zitterte. Ich beobachtete ihn, während ich den anderen ihr Essen gab, und hoffte inständig, es würde seinen Appetit anregen. Hunde, die sich zieren, ändern sich oft schlagartig, wenn sie in Konkurrenz zu anderen treten, und fressen dann alles, was man ihnen hinhält. Aber Smudge war kein Leckermaul. Er war ätherisch. Ich gab die üblichen Locktöne von mir, lobte die gehackte Zunge, die ich für die anderen gemacht hatte, schlug ein Ei in Milch, probierte es mit Schokolade. Aber er wandte nur ängstlich und angewidert den Kopf ab, und ein Speichelfaden zog sich über die verschmähte Köstlichkeit. Selbst frisches kaltes Wasser rief nur einen furchtsamen Blick hervor, und als ich ihn losließ, sank er kraftlos zurück.
Hetty hatte gesagt, seine Kehle sei offenbar leicht entzündet und trocken, aber ich konnte sehen, daß seine Zunge eine schreckliche Färbung aufwies. Als die anderen zur Ruhe gegangen waren, nahm ich Smudge mit ins Badezimmer, wo es warm und ruhig war und wo uns niemand stören würde. Ich wiegte ihn auf den Knien, während ich mir den Kopf zerbrach, was bloß mit ihm los sei. Dort konnte ich stets gut nachdenken, denn ich wurde weder von geweißten Ratschlägen noch vom Klingeln des Telefons abgelenkt. Ben hatte sich bereit erklärt, die Festung für eine Stunde zu halten. Ich war entschlossen, dem Problem auf den Grund zu kommen, ehe ich zu Bett ging. Falls ich es nicht schaffte, wollte ich endgültig aufgeben. Ich nahm mir wirklich vor, endgültig aufzugeben, weil ich zu wissen glaubte, daß Smudge mir sonst zuvorkommen würde, ehe der Morgen graute. Seine Augen waren halb geschlossen. Man sah das Weiße. Er keuchte schwach und hatte so gut wie keinen Puls.
Hetty hatte ihm Traubenzucker oder etwas Ähnliches injiziert, damit er ihr nicht unter den Händen wegstarb. Ich war eisern entschlossen, seinen Lebenswillen zu wecken, und wenn ich ihn hypnotisieren mußte. Ich war sicher, daß es kein psychologisches Problem war. Ein Hund kann schwierig, laut, mürrisch oder hektisch werden, aber er verhungert nicht, weil er unglücklich ist. Ein Mensch vielleicht, aber Hunde haben mehr Verstand, wenigstens in dieser Hinsicht. Es mußte etwas sein, woran er nicht viel ändern konnte. Hetty hatte jedenfalls gesagt, seinen Besitzern zufolge habe sich in seiner häuslichen Umgebung nichts Grundlegendes geändert, keine Umwälzungen, keine neuen Einflüsse. Sie hatte auch gesagt, die beiden führten eine gute Ehe und hätten praktisch nie Krach. Sie hätten sogar betont, ihr Sexleben sei intakt. Hetty meinte, sie habe genickt, als sei dies ein sehr wichtiger Faktor. Die Leute sehen so viel fern und hören so vieles über eheliche Spannungen und ihre Auswirkungen auf Kinder, daß sie einfach den Schluß ziehen müssen, mangelnde Leidenschaft im Bett führe bei den Kleinen unmittelbar zu Straffälligkeit, Skorbut und möglicherweise Selbstverstümmelung. Ich bezweifle, daß Rotznasen plötzlich eine Eins in Betragen bekommen, weil ihre Eltern anfangen, öfter miteinander zu schlafen, aber ich bin überzeugt, daß es zumindest den Eltern Spaß macht.
Ich fuhr fort, Smudge zu streicheln und zu kraulen, während er regungslos mit herunterhängendem Unterkiefer dalag, die Schnauzhaare naß von Speichel. Ich wischte die feuchten, traurigen Augen aus. Ich wünschte, Teddy wäre da und betete für uns. Ich versuchte, es selbst zu tun.
Das eigentliche Problem schien das Schlucken zu sein. Hetty war der gleichen Ansicht gewesen, hatte aber gesagt, es gebe einfach keinen Grund, warum er nicht schlucken könne oder wolle. Wann war es mir bloß schon einmal schwergefallen? Halsentzündung — nun, dann würde er wenigstens trinken. Eitrige Mandeln? Ich versuchte, wieder in seinen Mund zu gucken, aber es tat ihm offensichtlich so weh, daß ich aufgab. Der Zahnarzt! Als Kind hatte ich den Zahnarzt aus einem einzigen Grund gehaßt. Während sie heutzutage ein kleines Absaugrohr für den Speichel haben, das sie einem einfach in den Mund hängen, kam man damals in eine schraubstockähnliche Zwinge und konnte überhaupt nicht mehr schlucken, und sie stülpten einem ein riesiges Ding in den
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