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Das Imperium

Das Imperium

Titel: Das Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin J. Anderson
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ihre gemeinsame Kultur.
    Jess’ jüngere Schwester Tasia stand allein neben der Eisplattform und beobachtete, wie einzelne Besuchergruppen durch die Schächte in der Decke kamen. Der Kompi EA nannte ihr die Namen der Neuankömmlinge. Normalerweise liebte Tasia Gesellschaft, schwatzte gern mit Gästen und zeigte ihnen Dinge, die sie auf dem Eis gefunden hatte. Aber jetzt wirkte sie verdrossen und verwirrt, schien auf einen unsichtbaren Feind zornig zu sein. Ihre Onkel standen nicht weit entfernt, aber als Tasia Cescas Trauerumhang sah, lief sie zu den runden Hütten, die vor der Kälte geschützt, thermisch und akustisch isoliert waren. Dort würde sie weinen, allein.
    Der Eispanzer von Plumas war mehrere Kilometer dick und darunter erstreckte sich ein gewaltiger Ozean über einem kleinen, felsigen Kern. Gelegentlich entstanden Risse in diesem Panzer, dann quoll Wasser empor, um an der Oberfläche zu erstarren und die Risse wieder zu schließen.
    Hoher Druck, Gezeitenkräfte und auch die Wärme des Kerns sorgten dafür, dass der Ozean von Plumas nicht vollständig gefror. Ehrgeizige Roamer hatten Löcher in den Eispanzer gebohrt, um an das Wasser gelangen. Die Vorfahren des Tamblyn-Clans hatten Bergwerks- und Pumpstationen auf Plumas errichtet, vermarkteten nicht nur die lebenswichtige Flüssigkeit, sondern auch daraus gewonnenen Wasserstoff sowie Treibstoff, den die Roamer für interplanetare Flüge brauchten. Ein ganz besonderer Ort war zur Heimat der Tamblyn-Familie geworden – sie lebte unter dem gefrorenen Dach des Mondes.
    Die Roamer hatten ihre kleinen vorgefertigten Hütten in Luftblasen unter der Eiskruste errichtet, auf stabilen Schelfen über dem tiefen Wasser. Im Ozean von Plumas gab es Leben: Plankton, Flechten und Tiefsee-Nematoden, seit Äonen unverändert. Als die Roamer ihre künstlichen Sonnen brachten, erblühte Plumas regelrecht. Phosphoreszierendes Licht glühte durchs Eis, wie eine erstarrte, am Himmel gefangene Aurora.
    Plumas zählte zu den exotischeren Kolonien der Roamer und zeigte, dass die einfallsreichen Nomaden des Alls Lebensräume für sich erschlossen, die man in der Terranischen Hanse nie für eine Besiedlung in Erwägung gezogen hätte. Jess’ Familie hatte diesen Ort gefunden und ihn zu ihrem befestigten, verborgenen Zuhause gemacht.
    Bram Tamblyn schien sich kaum mehr auf den Beinen halten zu können. Zwar war er zäh und abgehärtet, ein Arbeitspferd, das sich nie eine Pause gönnte, aber jetzt erweckte er den Eindruck, zerbrechen zu können, wenn man ihm noch mehr aufbürdete.
    »Warum ruhst du dich nicht aus, Vater? Sprich mit deinen Brüdern. Ich kümmere mich um die letzten Vorbereitungen. Die Gedenkfeier beginnt erst in vier Stunden.«
    Bram gab keine Antwort und sah aus, als ärgerte er sich über Jess’ Mitgefühl. Seine Frau war vor Jahren bei einem Unfall an der Oberfläche ums Leben gekommen – sie war in eine Spalte mit gefrierendem Wasser gefallen. Das Eis von Plumas hatte sie umschlossen und würde ihren Körper für die Ewigkeit konservieren. Brams Augen waren gerötet und in seinem Gesicht gruben sich Falten tief in die aufgesprungene Haut.
    Jess fühlte sich allein, als er auf dem Eispier stand und in die grauen Fluten des Ozeans blickte. Er wünschte sich, eine Statue zu sein. Nach einer Weile hob er den Blick zum festen Himmel. Blau und weiß erstreckte er sich über ihm, erleuchtet von künstlichen Sonnen, die in Hohlräumen leuchteten, Licht und Wärme durch den kristallenen Schild leiteten.
    Jess schauderte und ging los, um seine kleine Schwester zu trösten, bevor die Gedenkfeier begann. An diesem Tag warteten noch viele Pflichten auf ihn.
    Die Clan-Oberhäupter und überlebenden Mitglieder der Tamblyn-Familie versammelten sich auf dem Eisschelf. Stille herrschte um sie herum. Vager Dunst lag in der Luft, Eisstaub von der hohen Decke, strich wie der Odem eines schlafenden Drachen über die nahezu unbewegte Wasseroberfläche.
    Der alte Bram wirkte wie eine ausgestopfte Vogelscheuche, trug mehrere Westen und Jacken, darüber einen alten, zerfransten Mantel. Er stand auf dem Eisdock, mehrere Meter über dem glatten Wasser. Jess und Tasia blieben in seiner Nähe, Cesca nur einen Schritt hinter ihnen.
    Ein kastenförmiges Floß schwamm auf dem Wasser, bestehend aus teurer gepresster Zellulose. Jede einzelne der teuren Planken war importiert worden. Den größten Teil der Kosten übernahmen Sprecherin Okiah und ihr Clan, aber Bram hatte darauf bestanden, alles

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