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Das Imperium

Das Imperium

Titel: Das Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin J. Anderson
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den Flügeln von Kondorfliegen und einigen noch funktionierenden Geräten aus der alten Caillie. Auch Estarra hätte sich gern vergnügt, aber sie war sich ihrer Verantwortung bewusst. Sie hatte diesen Haufenwurmkokon entdeckt und wollte ihre Spuren hinterlassen. Die Arbeiter hatten zunächst geglaubt, dass sie im Weg sein würde, aber Estarra erwies sich als ebenso fleißig und geschickt wie die anderen.
    Mit einem Hitzeschneider schuf sie nun eine Öffnung in der Außenwand, bereitete auf diese Weise ein wichtiges primäres Fenster vor. Es sollte dekorativ und bunt sein, außerdem eine gute Möglichkeit bieten, an Cellis Kondorfliege zu erinnern.
    Sie nahm den ersten großen Flügel des toten Insekts – er sah aus wie eine dreieckige Buntglasscheibe. An vielen Stellen in der Außenwand gab es runde und eckige Fenster, um Licht ins Innere des Kokons zu lassen. Vier Flügel standen Estarra zur Verfügung, und mit ihren bunten Mustern würde dieser Raum aussehen wie eine ehrwürdige Kathedrale.
    Mit Saftzement dichtete sie die Ränder des Fensters ab. Wenn die klebrige Masse trocknete, wurde sie so hart wie Eisen und hielt die bunten Flügel an Ort und Stelle fest. Schließlich trat Estarra zurück und betrachtete ihr Werk. Das Fenster war eine prächtige Ergänzung des neuen Wohnkomplexes. Ihre kleine Schwester würde sich bestimmt darüber freuen.

45 NIRA
    Als grüne Priesterin hatte Nira neue und wichtige Pflichten, aber mit großer Freude setzte sie auch ihre alten Aktivitäten fort. Mindestens einmal in der Woche nahm sie sich frei, um zum Blätterdach emporzuklettern und dem faszinierten Weltwald laut vorzulesen. Für sie gab es nichts Schöneres, als Geschichten zu erzählen.
    Sie saß auf einem dicken Ast und deutliche Emotionen vibrierten in ihrer Stimme, als sie die Geschichte von Sir Gawein und dem Grünen Ritter vorlas. Nira kannte sie noch nicht und wusste, dass der Wald ebenso daran interessiert war wie sie selbst. Durch die nackte Haut spürte sie, wie die Bäume einem Publikum gleich reagierten.
    Als sie alles vorgelesen hatte, strich Nira mit den Händen über die schuppige Borke. Mit ihren neuen Fähigkeiten stellte sie eine Verbindung zum Baum her und der Telkontakt ermöglichte es ihr, den ganzen Weltwald zu berühren. Dadurch bekam sie Zugang zu einer immer größer werdenden Datenbank voller Informationen, aber die Bäume waren mehr als eine Enzyklopädie. Nira konnte sich mit ihnen beraten und erfahren, welche Schlüsse der Wald aus den ihm zur Verfügung stehenden Daten zog. Allerdings: Die Weltbäume gaben nicht alles preis und bewahrten Geheimnisse, selbst vor grünen Priestern wie Yarrod.
    Nira fragte den Wald und erhielt zu ihrer großen Freude Antwort. Von einem Augenblick zum anderen war ihr Selbst voller Berichte, Legenden und Mythen, mehr als sie für möglich gehalten hätte. Bestimmt standen ihr viele Nächte voller lebhafter Träume bevor. Nira seufzte dankbar und unterbrach den Telkontakt.
    Sie spürte, wie die Blattwedel um sie herum zitterten, Hinweis darauf, dass sich ein anderer grüner Priester näherte. Nira brauchte gar nicht Ausschau zu halten, denn die Weltbäume identifizierten den Besucher als Otema, die viele Jahre als Botschafterin auf der Erde gearbeitet hatte. Überrascht und eingeschüchtert drehte sie sich um. Die ernste und sehr weise Priestern kam doch sicher nicht wegen ihr, oder?
    Otema war uralt, kletterte aber mit der Anmut einer Baumechse. Sie gesellte sich Nira auf dem dicken Ast hinzu und blickte über den Wald. »Ich erinnere mich daran, wie aufgeregt ich war, als meine Haut grün wurde, wie viele Dinge ich lernen musste.« Sie sah Nira an, und so etwas wie Wehmut zeigte sich in ihren dunklen Augen. »Selbst nach mehr als hundert Jahren lässt die wundersame Erhabenheit des Weltwaldes nicht nach. Heute sind die Bäume für mich ebenso bezaubernd wie damals, als ich in deinem Alter war.«
    Nira wusste nicht, was sie sagen sollte. »Ich… danke Ihnen für diesen Hinweis, Botschafterin Otema.«
    »Nenn mich einfach nur Otema, Kind. Grüne Priester haben nichts übrig für Titel.«
    »Ja… Otema.« Nira nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Es überrascht mich, Sie hier zu sehen. Suchen Sie jemanden?«
    »Ja, und ich habe die betreffende Person gefunden.« Eine seltsame Szene: zwei Frauen, die sich hoch über dem Boden des Waldes auf einem Ast gegenüberstanden. »Yarrod meinte, dass ich dich hier finden könnte, obwohl du heute gar nicht fürs Vorlesen

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