Das Imperium
Datenschirmen mit roter Sicherheitsmarkierung und Fingerscanner – die kleinen Geräte zeigten die in ihnen gespeicherten Informationen nur den Personen, auf die sie programmiert waren.
»Die Hanse braucht einen neuen jungen Herrscher, der den alten König ersetzt, jemanden, der das Volk in Schwung bringt.« Basil senkte die Stimme. »Und wir alle wissen, dass keins der Kinder, die der König von seinen Kurtisanen bekommen hat, unseren Zwecken genügt.«
Wie bei den alten Monarchen von Marokko oder den Kaisern von China blieben Fredericks Familie und sein Privatleben hinter den Mauern des Flüsterpalasts verborgen. Die Wahrheit lautete: Der König hatte keinen rechtmäßigen Erben. Aber die Hanse konnte die Geschichte zu jedem beliebigen Zeitpunkt neu schreiben.
»Dies geschah schon fünfmal, obgleich seit dem letzten Mal Jahrzehnte vergangen sind. Vielleicht ist es unsere wichtigste Aufgabe.« Basil verteilte die Datenschirme und jeder Gesandte aktivierte den Fingerscanner. Bilder erschienen im Display und zeigten mehrere Jungen, die ganz offensichtlich nichts von der Beobachtung wussten.
»Die Geräte enthalten komplette Dossiers unserer Kandidaten: Filmaufnahmen, Fotografien und detaillierte Informationen über die einzelnen Personen, im Lauf von Jahren gesammelt. Unsere Agenten suchen ständig nach Leuten, die geeignet sind, in die Rolle des Prinzen zu schlüpfen. Dies sind die von Mr. Pellidor ausgewählten Kandidaten, die jungen Leute, die am besten geeignet sind, das Schicksal der Hanse zu erfüllen.«
Basil rief die Gesandten zum größten Kristalltisch, wo sie sich die gespeicherten Informationen ansahen und alle Möglichkeiten erörterten. Stundenlang sprachen sie miteinander und verglichen ihre Eindrücke. Es dauerte nicht so lange, wie Basil zunächst befürchtet hatte. Als die Sonne unterging und dem Himmel einen kupfernen Glanz gab, wurde die Entscheidung getroffen.
Der Vorsitzende deutete auf einen dunkelhaarigen Jungen, der sich durch hohe Intelligenz, ein weiches, sympathisches Wesen und eine charismatische Stimme auszeichnete. Basil hoffte, dass er sich außerdem leicht lenken und leiten ließ.
»Dieser hat das größte Potenzial«, sagte er. »Persönlicher Hintergrund und sozialer Status garantieren, dass man ihn nicht vermissen wird. Und was besonders wichtig ist: Er weist sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit König Frederick auf.«
18 RAYMOND AGUERRA
Weit von der Besprechung im Hauptquartier der Hanse entfernt, in einem kleinen Apartment im achtzehnten Stock eines Wohnkomplexes, versuchte Raymond Aguerra, die Abendmahlzeit zuzubereiten.
Er trachtete danach, optimistisch zu bleiben, als er die Vorräte in den Schränken und im Konservierungsfach betrachtete. Er brauchte seinen ganzen Einfallsreichtum, um aus diesen Ingredienzien eine zufrieden stellende, nahrhafte Mahlzeit für sich selbst und seine Familie zuzubereiten.
Überall in der Küche lagen kleine Kästen, Spielzeuge, elektronische Geräte aus zweiter Hand, zusammengebastelte Objekte und Ausdrucke. Wie sehr man auch aufzuräumen versuchte: Die kleine Wohnung wirkte nie ordentlich. Die beiden jüngeren Brüder Raymonds, der neunjährige Carlos und der sechsjährige Michael, verfolgten sich gegenseitig und gaben vor, Ungeheuer zu sein. Lachend fielen sie übereinander her und rangen auf dem Fußboden.
Raymond stieß sie gutmütig mit dem Fuß an. »Wenn ich durch eure Schuld das Essen fallen lasse, müsst ihr es vom Boden lecken.«
»Vielleicht schmeckt’s dadurch besser.« Carlos kicherte, als er sich bemühte, Raymonds schnellem Tritt auszuweichen – der Fuß traf ihn am Hinterteil.
Ihre Mutter Rita saß im Wohnraum in einem Sessel und sah sich ein Unterhaltungsprogramm an, ohne große Freude daran zu finden. Jahre der Übung gestatteten es ihr, den Radau zu ignorieren. Neben ihr klagte der zehnjährige Rory darüber, dass er Hausaufgaben machen musste, während seine jüngeren Brüder spielen durften.
Raymond fühlte sich schuldig, als er die beiden raufenden Jungen in den Wohnraum schickte, wo sie vielleicht ihre Mutter störten. Rita Aguerra hatte bereits einen langen Arbeitstag hinter sich und musste für ihren zweiten Job lange vor Morgengrauen aufstehen. Müdigkeit hatte sie im Sessel regelrecht in sich zusammensinken lassen. Raymond zweifelte kaum daran, dass sie schon schlafen würde, wenn er mit der Zubereitung der Mahlzeit fertig war. Es sei denn, sie hatte vor der Rückkehr nach Hause zu viele Tassen schwarzen
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