Das Inferno Roman
abgesehen.
Er ging auf die Knie und betrachtete sie.
Ihre Haut glänzte feucht. Hier und da war sie ein klein wenig blutverschmiert. Rosig an den Stellen, wo Stanley sie hart angefasst hatte - Stellen, an denen sich bald blaue Flecke zeigen würden.
»Was für eine Schönheit«, murmelte er.
Kaum hatte er es ausgesprochen, überkamen ihn leichte Schuldgefühle.
»Aber nicht mit Sheila zu vergleichen«, fügte er hinzu. »Nicht mal annähernd.«
Er stellte sich Sheila in der Badewanne vor.
Ich muss zurück zu ihr, sie da rausholen. Sie saubermachen …
Aber erst einmal musste er sich was für Judy einfallen lassen.
Ich will sie nicht umbringen, dachte er. Das würde mir nichts bringen. Dann hätte ich nichts mehr für später, falls die Sache mit Sheila nicht klappt.
Besser, es geht nichts schief.
»Muss los«, erinnerte er sich.
Aber nicht, ohne sich vorher um Judy gekümmert zu haben.
»Eins nach dem anderen.«
Er stieg vom Bett.
Er beugte sich vor und griff Judy an den Fußgelenken. Er ging rückwärts und zog, bis ihr Körper von der Matratze rutschte. Sie bog sich an der Hüfte durch und landete hart auf dem Teppichboden. Die abrupte Landung ließ ihre Brüste einen kurzen Tanz aufführen.
Stanley zog sie weg vom Bett. Als sie auf dem Rücken lag, drückte Stanley ihre Beine auf den Boden.
Sie war bewusstlos, zumindest sah es danach aus. Aber früher oder später würde sie wieder zu sich kommen. Er musste sie so sichern, dass sie nicht flüchten und Hilfe holen konnte.
Wie wäre es, sie in der Badewanne einzusperren?
Bei der Vorstellung musste Stanley lachen.
Aber es war wirklich eine sehr gute Idee, das wurde ihm sofort klar. Sheila saß schließlich auch in der Wanne fest. Das Ding war so gut wie ein Käfig.
Er schob seine Arme unter Judys Körper. Ihr Kopf wackelte hin und her, als er sie anhob. Zügig ging er durch das Schlafzimmer auf eine Tür zu, die nur einen Spalt offen stand.
Bislang hatte er noch nicht hinter der Tür nachgesehen, aber er nahm an, dass sie zu einem angeschlossenen Badezimmer führte.
In der Eile rutschte Judys Körper ihm immer wieder aus den Händen, wobei ihre Hüfte seinen Bauch streifte. Zweimal hätte er sie beinahe fallen gelassen, musste pausieren, mit seinem Knie ihren Hintern justieren und umgreifen.
Er stieß die Tür mit ihrem Kopf auf. Dann drehte er sie seitlich und brachte sie ins Bad, wo ihn ein erstaunlicher Duft umschmeichelte.
Ein schweres Parfüm.
Vanille? Marshmallow? Zuckerwatte? Der süße Geruch ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen und kitzelte ihn mit Erinnerungen an früher.
Er schloss die Augen.
Er sog den wundervollen Duft durch die Nase ein, füllte seine Lungen damit.
Irgendwas aus der Zeit, als er ein kleiner Junge war …
Der Jahrmarkt?
Das war’s.
Ein paarmal war er mit seinen Eltern über den Jahrmarkt spaziert. Immer mit seinen Eltern und immer bei Tageslicht.
Oh, wie sehr er sich danach gesehnt hatte, bei Nacht dort auf Entdeckungsreise zu gehen, ohne dass ihn jemand aufgehalten oder ihm alles verboten hätte. So hell erleuchtet wie an Weihnachten war es dort unter den bunten Lichtern, aber auch dunkel und geheimnisvoll, wo das Licht nicht hinfiel. Der Jahrmarkt, wo verbotene Attraktionen dich mit ihren Verlockungen um den Verstand bringen konnten, wo fremdartige Männer versprachen, dir unglaubliche Wunder zu zeigen, die sie in Zelten verborgen hielten, wo alle Frauen Zigeunerinnen zu sein schienen, die voller wilder Magie steckten.
Er hatte sich danach gesehnt, sich um Mitternacht ganz allein dort einzuschleichen und Teil dieser Welt zu werden.
Aber natürlich hatte er es nie getan.
Er hatte sich nicht getraut.
Was ist, wenn Mutter mich erwischt?
Stanley atmete noch einmal tief ein. Er spürte, wie ein Lächeln über sein Gesicht huschte.
Ich habe jetzt meinen eigenen Jahrmarkt.
»Hereinspaziert, hereinspaziert. Erleben Sie die unglaubliche Schlaffe Frau. Sie wackelt, sie schwabbelt, sie schüttelt sich.«
Er schüttelte sie und lächelte.
Aber plötzlich erinnerte sie ihn an Sheila.
»Sheila, die Frau aus Stahl, die …«
Ich muss zurück zu ihr.
Stanley sah sich im Badezimmer um. Von einem Riss im Spiegel abgesehen schien es das Beben unbeschadet überstanden zu haben.
Das konnte doch gar nicht sein.
Offensichtlich hatte Judy sich die Zeit genommen, alles aufzuräumen, was aus den Schränken gefallen war - einschließlich eines Flakons wundervollen Parfüms, der zerbrochen oder ausgelaufen
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