Das Inferno
komplizierte Geschichte sehr vereinfacht erzählt.«
»Und wo stammen Sie ursprünglich her?«
»Aus Slowenien.«
»Das war einmal der nördlichste Staat von Titos Jugoslawien.
Heute ist Slowenien ein unabhängiges Land.«
»Nicht jeder weiß das so detailliert wie Sie. Macht Ihnen die momentane Weltlage eigentlich Sorgen?«
»Ja. Es ist gut möglich, dass wir am Rande einer Katastrophe stehen.«
Tweed hielt an und musterte Slavic genau. Er wirkte breitschultriger, als er ihn vom gestrigen Abend im Restaurant Fischereihafen in Erinnerung hatte und strahlte mindestens ebenso viel körperliche Kraft aus wie geistige Stärke. Tweed wusste immer noch nicht, wie er ihn einschätzen sollte.
»Rondels Chauffeur ist ein ungewöhnlicher Mensch«, sagte er.
»Danzer ist mein Chauffeur. Blondel zieht es vor, seinen Bugatti selbst zu fahren. Jetzt hat er sich auch noch einen Maserati gekauft. Ein hübsches Spielzeug. Sollen wir zum Haus zurückgehen?«
»Sie haben Ihren Partner eben Blondel genannt. Ich dachte, er heißt Rondel.«
»Das liegt an seiner Eitelkeit. Weil er blonde Haare hat, findet er seinen wirklichen Namen albern und nennt sich Rondel. Er hatte einen deutschen Vater und eine französische Mutter. Tja, wir sollten uns unbedingt wieder einmal treffen. Vielleicht in meinem Hauptquartier hoch oben im Norden. Ich liebe die Abgeschiedenheit.«
»Woher soll ich wissen, wo Sie sich gerade aufhalten?«
»Das ist nicht nötig, denn ich, Mr. Tweed, weiß immer, wo
Sie
sind.«
»Noch etwas. Wie soll ich Sie bezeichnen, wenn ich mit meinen Mitarbeitern über Sie rede?«
»Nennen Sie mich einfach Milo. Es hat übrigens den Anschein, als würden sich Ihre Leute königlich amüsieren.«
Sie hatten eine halb geöffnete Tür erreicht, die vom Haus hinaus in den Garten führte. Tweed hörte, wie Rondel etwas sagte und Paula daraufhin fröhlich auflachte. Auf einmal stand eine Frau mit bläulich getönten Haaren neben ihm und Milo. Sie hatte einen großen Strauß Hortensien in der Hand und machte ein enttäuschtes Gesicht, als Milo sie mit einer unwirschen Geste wegwinkte.
»Das war Gina France, meine Chefbuchhalterin. Sie leistet hervorragende Arbeit, hat aber leider ein sehr aufbrausendes Temperament.« Er hielt inne. »Aber Sie haben mir noch immer nicht gesagt, ob Sie an starke Regierungen glauben.«
»Kommt drauf an, wie stark sie wirklich sind.«
»Wir müssen uns unbedingt wiedersehen«, sagte Slavic in eindringlichem Ton. »Ich werde Sie kontaktieren, sobald der Zeitpunkt gekommen ist. Dann sollten Sie allerdings ganz schnell zu mir kommen.« Mit diesen Worten betrat er das Zimmer, in dem Rondel mit Paula und Newman saß.
»Wir müssen jetzt gehen«, sagte Tweed.
»Was?« Rondel sprang auf. »Jetzt schon? Wo die charmante Dame und ich gerade Freundschaft geschlossen haben…«
»Wir werden uns bestimmt bald wiedersehen, Victor«, sagte Paula lächelnd. Sie und Newman standen auf.
Tweed wollte seinem Gastgeber für die Einladung danken, aber der Mann aus Slowenien war verschwunden.
»Bitte richten Sie Ihrem Partner aus, dass ich das Gespräch mit ihm sehr erhellend fand«, sagte er stattdessen zu Rondel.
»Ich freue mich schon darauf, ihn recht bald wieder zu treffen…«
Rondel brachte sie durch die Eingangshalle nach draußen. Als er die doppelte Eingangs tür öffnete, erschien von hinten eine weitere Person in der Halle. Es war Danzer, der Chauffeur.
»Kommen Sie gut zurück in Ihr Hotel«, sagte Rondel und schloss die Tür.
Als sie langsam die Auffahrt zurückfuhren, kam ihnen Gina France hinterhergelaufen, die immer noch die Hortensien in der Hand hielt.
»Halten Sie an«, sagte Tweed zu Newman und kurbelte das Fenster auf seiner Seite herunter.
»Das ist ja die Frau im Blümchenkleid«, sagte Newman.
»Die, die im Park an der Alster die Enten gefüttert und Sie angesprochen hat, Tweed.«
Völlig außer Atem reichte die Frau mit dem rundlichen Gesicht und der dicken Brille die Blumen durch das offene Fenster herein. Paula nahm sie entgegen und lächelte die Frau an.
»Die sind ja wunderschön.«
»Vielen Dank. Das ist sehr nett von Ihnen«, sagte Tweed und lächelte ebenfalls.
Die Frau streckte den Kopf zum Fenster herein. Sie war sehr nervös, und ihre Hände zitterten. Mehrmals versuchte sie zu sprechen, bekam aber kein Wort heraus.
»Mr. Tweed«, sagte sie schließlich. »Ich muss unbedingt mit Ihnen reden. Etwas sehr Schlimmes geht hier vor. Ich werde bestimmt vom Haus aus
Weitere Kostenlose Bücher