Das Inferno
haben eine Einheit ihrer geheimen Einsatzreserve hier, von der wir vielleicht ein paar Leute für ein Sonderkommando abzweigen können. Schließlich haben wir hier ja Wachmannschaften genug.«
Barford nahm einen Schluck von seinem Brandy. Thunders Vorschlag gefiel ihm nicht. Die Einsatzreserve war eine kleine Truppe gut ausgebildeter Leute vom Secret Service, die normalerweise den Präsidenten der USA bewachten, aber auch für andere Spezialaufträge zur Verfügung standen. Barford hatte gehört, dass sie schon diverse Männer – und Frauen – liquidiert hätten, deren Aktivität der amerikanischen Regierung ein Dorn im Auge war. Sogar ein tragischer »Unfall«, der zum Tod eines US-Senators geführt hatte, sollte auf ihr Konto gehen. Viel schlimmer als das fand Barford allerdings, dass die Einsatzreserve nicht seinem Kommando unterstellt sein würde.
»Ist das nicht ein bisschen drastisch?«, sagte er. »Ich habe gehört, dass die Einsatzreserve ziemlich brachiale Methoden anwendet. Sie soll angeblich nicht einmal etwaige Leichen beseitigen.«
»Die Entscheidung ist gefallen.« Thunder trank seinen Brandy aus und stand auf. »Ich werde mit dem Außenminister reden.
Bestimmt leiht er uns ein paar seiner Männer.«
»Sind Sie sich sicher, dass das wirklich eine gute Idee ist?«
»Verdammt noch mal!« Thunder knallte sein Glas auf den Tisch. »Tweed muss eliminiert werden, und die Einsatzreserve wird das erledigen. Sie ist skrupellos und bestens ausgerüstet.
Solchen Leuten ist Tweed nicht gewachsen.«
34
Tweed war noch immer wach und suchte auf der Landkarte die beste Route von Tønder nach Travemünde. Sein Instinkt sagte ihm, dass es eine Strecke sein sollte, auf der es nicht allzu leicht wäre, sie anzugreifen. Als es leise an seine Tür klopfte, öffnete er vorsichtig. Es war Paula.
»Störe ich?«, fragte sie.
»Sie stören nie. Setzen Sie sich doch. Möchten Sie Kaffee?«
»Nein, danke. Wenn ich jetzt einen Kaffee trinke, kann ich überhaupt nicht mehr einschlafen. Aber Sie scheinen das Zeug ja literweise in sich hineinzuschütten.«
»Er hilft mir, mich zu konzentrieren. Was führt Sie zu mir?«
»Ich habe über die Fahrt nach Travemünde nachgedacht.
Könnte es nicht sein, dass man uns schon wieder in eine Falle locken will?«
»Natürlich könnte es das. Aber wenn wir diesen Fall lösen wollen, müssen wir das Risiko eingehen.«
»Nicht dass ich Gina misstrauen würde«, sagte Paula. »Ganz im Gegenteil. Ich bin mittlerweile derselben Meinung wie Sie.«
»Sie kennen doch meine alte Kokon-Theorie, oder?«
»Nein. Was soll das sein?«
»Nun, diese Theorie geht davon aus, dass jeder Mensch in einer Art Kokon lebt. Dazu gehört das normale Alltagsleben, aber auch die Art, wie man denkt und auf Dinge reagiert. Viele Menschen leben in einem sehr engen Kokon. Sie fahren jeden Tag mit demselben Zug zur Arbeit, sitzen dort immer am selben Schreibtisch, und alles, worüber sie nachdenken, hat etwas mit ihrer Arbeit zu tun – oder mit ihrer Familie, falls sie eine haben.
Was sonst noch in der Welt vor sich geht, interessiert sie nicht.
Das ist soweit in Ordnung, falls ihnen dieses ziemlich eingeschränkte Leben – ihr Kokon eben – genügt. Andere leben in einem sehr viel weiteren Kokon – Geschäftsleute mit großen Firmen oder Generäle, die große Truppenkontingente kommandieren. Solche Menschen müssen große Teile der Welt kennen, es könnte nämlich gut sein, dass sie über kurz oder lang dort zu tun bekommen. Wenn ich mit jemandem spreche – wie in unserem Beispiel mit Mrs. France –, versuche ich zuallererst abzuschätzen, wie groß der Kokon ist, der die Person umgibt.«
»Und wie ist es um den von Mrs. France bestellt?«
»Er ist ausgesprochen groß. Ihr Kokon ist die ganze Welt. Sie hat einen weiten Horizont, weil die Bank, für die sie arbeitet, Niederlassungen in vielen Ländern der Erde hat. Sie muss überall nach verschwundenem Geld suchen, muss wissen, wie man verschlüsselte Nachrichten über das Internet schickt, und außerdem arbeitet sie für zwei bemerkenswerte Männer.
Darüber hinaus ist sie vertrauenswürdig und moralisch über jeden Zweifel erhaben. Wenn in Travemünde wirklich eine Falle auf uns warten sollte, dann hat Gina France nichts damit zu tun.«
»Ich glaube, Sie haben Recht.«
Ȇbrigens, ich habe beschlossen, dass wir morgen schon um halb sieben losfahren. Fragen Sie mich nicht, weshalb, es ist eine Entscheidung, die ich aus dem Bauch heraus
Weitere Kostenlose Bücher