Das Inferno
sah sich um. Mit einem merkwürdigen Lächeln auf den Lippen wandte er sich an Tweed, der ebenfalls stehen geblieben war.
»Paula befürchtet wohl, dass ich Sie hier auf meiner Insel gefangen halten will. Aber sie hat offenbar nicht auf die andere Seite geschaut.«
Paula blickte sofort in die Richtung, von der Slavic gesprochen hatte. Wo sie nur eine endlose Wasserfläche erwartet hatte, sah sie eine breite Rollbahn aus Beton, die nach Osten weit hinaus ins Meer führte und an deren Ende ein Gulfstream Privatjet stand.
»Damit werden Sie Berg verlassen«, rief Milo Paula zu.
»Wenn Mr. Tweed zurück nach Hamburg will, bringt sie der Jet alle zusammen dorthin. Blondel benützt ihn ziemlich häufig.
Sind Sie jetzt beruhigt, Paula? Haben Sie wieder Vertrauen in mich?«
»Natürlich«, stammelte Paula verwirrt. »Ich dachte nur… Weil wir doch mit dem Dampfer hergekommen sind…«
»Ich verstehe, dass Sie überrascht sind. Aber ich denke mal, dass die Touristen es heute zu heiß auf der Insel fanden und recht froh waren, so bald wieder zurückfahren zu können.«
Tweed drehte sich um und sah, dass Lisa einen spontanen Freudentanz aufführte. Sie winkte mit den Armen und hob sie hinauf zum strahlend blauen Himmel. Als sie Tweeds Blicke bemerkte, hörte sie damit auf. Slavic ging noch ein Stück weiter bis zu einem kleinen Palmenhain, wo ein Tisch mit Gläsern, Flaschen und in Kartons verpackten Sandwiches stand. Slavic lud seine Gäste ein, Platz zu nehmen.
»Eines ist mir noch nicht klar, Milo«, sagte Tweed, »Sie sagten vorhin, dass Sie mit Ihrem neuartigen System in der Lage sind, das Internet zu zerstören. Aber woher wissen Sie, dass es nicht sofort wieder neu aufgebaut werden kann?«
»Das dauert Jahre«, antwortete Slavic. »Das Internet ist vom Telefonnetz abhängig, und das Telefonnetz wird durch meine Vorrichtung ebenso zerstört wie sämtliche Fernmeldesatelliten.
Bis das alles wieder repariert ist, vergeht viel Zeit. Die Welt wird nachrichtentechnisch ins neunzehnte Jahrhundert zurückgeworfen. Und das ist gut so.«
»Weshalb?«
»Sie sind ein viel beschäftigter Mann, Tweed, deshalb bezweifle ich, dass Sie häufig im Internet ›surfen‹ – wie ich allein schon dieses Wort hasse. Wir aber wissen, dass Thunder und Konsorten das Netz für ihre üblen Pläne benutzen und verschlüsselte Botschaften an Hunderte von Halsabschneidern schicken, damit diese unsere gesamte zivilisierte Welt ins Chaos stürzen. Auch Terroristen jeglicher Couleur bereiten im Internet ihre verabscheuungswürdigen Anschläge vor, und dann sind da noch die widerwärtigen Websites pädophiler Kinderschänder, die auf diese Weise ihre illegalen Bilder und Videos tauschen.
Natürlich kann man einwenden, dass auch Regierungen das Internet benützen, um in Sekundenschnelle miteinander kommunizieren zu können, aber ich frage Sie allen Ernstes, ob das etwas Erstrebenswertes ist. Meiner Meinung nach nicht. So etwas kann durchaus zu einem Krieg führen. Nein, Tweed, glauben Sie mir: Das Internet ist
schlecht
.«
»Sie klingen recht überzeugend, Milo«, sagte Tweed. »Was meinen Sie dazu, Mrs. France?« Dabei blickte er Lisa direkt in die Augen.
»Also ich finde…«
Lisa hörte abrupt zu sprechen auf und sah Tweed peinlich berührt an. Dann wurde sie auf einmal knallrot im Gesicht.
»Mr. Tweed hat unser Geheimnis also gelüftet«, sagte Slavic und kicherte leise vor sich hin. »Das musste ja früher oder später so kommen.«
»Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr«, sagte Paula.
»Dann werde ich es Ihnen erklären«, sagte Tweed. »Als wir die vermeintliche Mrs. France in Hamburg sahen, hat sie ein Kleid getragen, das viel zu groß für sie war, und dazu einen breitkrempigen Strohhut, unter dem sie ihre roten Haare verbergen konnte. In Tønder verwendete sie für denselben Zweck eine Fliegermütze. Außerdem trug sie gefärbte Kontaktlinsen, und es würde mich nicht wundern, wenn sie auch über eine gewisse schauspielerische Erfahrung verfügen würde.«
»Das stimmt«, sagte Lisa. »Ich habe in London eine Weile Schauspielunterricht genommen. Der Besuch in Tønder war übrigens Milos Idee. Ich habe ständig einen Koffer mit meiner Fliegerkombi bei mir, weil ich nun mal für mein Leben gern fliege. Nachdem ich Ihr Zimmer im Hotel verlassen habe, bin ich kurz in das meine geschlüpft und habe mich umgezogen.
Aber wie sind Sie hinter meine kleine Maskerade gekommen, Tweed?«
»Ihre Körpersprache hat Sie
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